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Feind aus der Vergangenheit

Feind aus der Vergangenheit

Titel: Feind aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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und kletterte den begrünten Damm zur
Schnellstraße hinauf. Hier war noch Stadtgebiet. Wer schneller als 60 km/h
fuhr, tat das hoffentlich mit schlechtem Gewissen.
    Die richtige Stelle also,
dachte Tim, um am Straßenrand den Daumen zu heben.
    Das tat er.
    Schon der zweite Wagen hielt.
    Er war etwas größer als ein
Kabinenroller. Ein betagtes Mütterchen mit Weitsichtbrille klammerte sich am
Lenkrad fest. Ein freundliches Lächeln erreichte Tim durchs geöffnete
Seitenfenster.
    „Wohin willst du denn, junger
Mann?“
    „Nach Rödlkamp.“
    „Tut mir leid. Ich biege gleich
ab nach Pfaffenhausen.“
    „Gute Fahrt! Aber Moment noch!
Ihre rechte Tür ist nicht ganz geschlossen.“
    Er brachte das in Ordnung, und
die Oma fuhr weiter.
    Drei, vier Fahrer bewunderten
Tims Daumen, hielten aber nicht. Dann fuhr ihm ein rostiger Alt-Mercedes fast
auf die Fußspitzen. Eine Frau chauffierte. Neben ihr saß ein stämmiger Typ.
    „Nach Rödlkamp“, sagte Tim.
    „Kommen wir vorbei.“
    „Wenn Sie mich an der Kreuzung
Fuchsweiler rauswerfen?“
    „Steig ein“, nickte der Mann.
    Tim setzte sich in den Fond.
    „Guten Tag“, grüßte er, was vor
allem der Frau galt.
    Keiner der beiden erwiderte
was. Aber der Mann grunzte kurz. Möglicherweise unterdrückte er ein Niesen.
    Tim lehnte sich zurück. Draußen
flappte der Fahrtwind gegen die Chausseebäume. Dann erreichte die Schnellstraße
freies Land, und sofort trat die Frau aufs Gas.
    Eine Zigarette hing ihr im
Mundwinkel. Tim bedauerte das. Er liebt saubere Luft, die man tief einatmen
kann. Immerhin hatte der Mann das Seitenfenster geöffnet.
    „Wenn wir uns beeilen“, sagte
die Frau, „sind wir bis zwei Uhr zurück, Jo.“
    Jo nickte und grunzte wieder.
    Er mochte Ende Vierzig sein,
hatte ein Froschgesicht und wenig Haare. Sein Nacken, den Tim unter der
Kopfstütze sehen konnte, war mit kleinen Narben übersät. Vielleicht war der
Mann mal rücklings in Stacheldraht gefallen.
    Froschgesicht? dachte Tim.
Froschgesicht! Irgendwoher kenne ich dich.
    Die Frau war jünger und hatte
gelbe Haare. Sie waren tatsächlich gelb, nicht blond, und auf ziemlich lieblose
Weise kurz geschnitten. Das unterstrich die Härte des Gesichtes. Der
Lippenstift mußte suchen, um die Lippen zu finden. Die kleinen Augen luchsten
aus einem Meer blauer Lidschatten.
    „Nicht so rasen, Petra!“ sagte
Jo.

     
    „Ich fahre genau hundert.“
    Tim sah zum Tacho und
verfolgte, wie die Nadel auf 110 kletterte. Sicherlich tat Petra das, um ihren
Jo zu ärgern.
    Jo? Von Jonathan? Wohl eher von
Joachim. Und Petra? Joachim und Petra... wie weiter?
    In dieser Sekunde fiel’s ihm
ein. Er hätte beinahe geschnalzt, blies aber statt dessen nur die Backen auf
und beobachtete einen Bussard, der über einen Hügel strich und auf Beutefang
war.
    Die Spockhoffs, dachte der
TKKG-Häuptling. Na klar! Beide waren damals abgebildet in der Zeitung, als die Serie
über Terrorismus lief. Auf dem Foto waren die beiden zehn Jahre jünger. Aber
sie sind’s. Wie wurden sie genannt? Alt-Bomber, die auf den rechten Weg
zurückgefunden und sich schon lange von der Staatszerstörung abgewandt haben.
Irre, daß ausgerechnet die mich mitnehmen! Neroisten? Die bestimmt nicht. Aber
hätte es Nero damals schon gegeben, wären die ihm gefolgt.
    Er überlegte.
    Sollte er sie ansprechen auf
ihre Vergangenheit?
    Wozu? Vielleicht war es ihnen
peinlich. Vielleicht arbeiteten sie jetzt in der Senioren-Betreuung, bei
Essen-auf-Rädern oder in der Jugendfürsorge.
    Er beschloß, den Mund zu
halten.
    Außerdem fuhr Petra wie eine
Blöde. Es konnte lebensgefährlich sein, sie abzulenken. Die Tachonadel zitterte
bei 122, und der alte Wagen ächzte in allen Schweißnähten.
    „Gleich sind wir am
Fuchsweiler-Kreuz“, sagte Jo. „Fahr nicht vorbei.“
    Petra bewies, daß die Bremsen
funktionierten, rollte rechts an den Rand und hielt.
    „Besten Dank!“ Tim stieg aus.
„Ab hier müssen Sie mit Rehsprung und Streifenwagen rechnen. Ich würde nicht
über 180 fahren.“
    Petra lachte auf.
    Ihr Mann sagte: „Du bist nicht
auf den Mund gefallen.“
    „Gewiß nicht, Herr Spockhoff.“
    Tim sah noch, wie sich ihm die
Gesichter zuwandten. Dann rollte der Wagen weiter und verschwand hinter der
Kurve.
    Und jetzt zum Fest! dachte der
TKKG-Häuptling. Zur Fete und zu meinen Freunden.
    Er überquerte die Fahrbahn.
Hinter einem Feld aus Hirtentäschel und abgeblühtem Staudenknöterich wuchsen
Hartriegelsträucher, in die sich junge Buchen geschlagen

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