Feind aus der Vergangenheit
gute
Plätze im Intercity, nämlich am Fenster.
Am späten Nachmittag Ankunft in
der Großstadt. Zehn Minuten Aufenthalt. Tim stand am Fenster und sah seine Freunde
auf dem Bahnsteig.
Gaby, mit blauer
Pferdeschwanz-Schleife, hatte Oskar mitgebracht. Klößchen kaute gerade mit
vollen Backen, und da es sich wie üblich um Schoko handelte, waren seine
Mundwinkel in eben dieser Farbe. Karl polierte vor Aufregung an seiner Brille
herum.
Ein großes Hallo. Susanne kam
auf den Bahnsteig und wurde überschwenglich begrüßt. Tim beschränkte sich auf
ein Bussi von Gaby. Dann mußte er sich um Oskar kümmern, der auf den
Hinterpfoten tanzte vor Freude.
Gaby hatte Freudentränen in den
Augen und ließ Susanne nicht los.
Klößchen überreichte ein
kleines Päckchen. „Fünf Tafeln bester Sauerlich-Schokolade, Frau Carsten. Als
Wegzehrung.“
Die Zeit reichte, um wenigstens
das Wichtigste zu erzählen. Dann ertönte die Durchsage zur Abfahrt, und Susanne
mußte einsteigen. Die Trennung fiel schwer. Bald rollte der Zug aus dem
Bahnhof, die Kids winkten, und sogar Oskar schien den Abschied zu spüren. Noch
trauriger als sonst ließ der Vierbeiner die Schlappohren hängen.
*
Gaby, Karl und Klößchen hatten
natürlich ihre Drahtesel mit. Tim mußte zu Fuß gehen. Immerhin — Koffer und
Reisetasche türmten sich auf Klößchens Gepäckträger, was die Straßenlage so
kippelig machte, daß Tims dicker Freund nicht fuhr, sondern schob — mit Hilfe
des TKKG-Häuptlings, natürlich.
„Morgen also draußen in
Wexenstein“, sagte Gaby, „bei Meier-Micksners.“ Sie pustete gegen ihren
herbstgoldenen Pony. „Wird sicherlich ein tolles Fest. Mittags geht’s los.
Hach, Tim, wie ich mich freue, daß alles so gut ausgegangen ist. War die
Schlange wirklich giftig?“
„Hochgiftig. Ein Biß hätte
genügt.“
„Du bist keine Sekunde zu früh
gekommen.“
„War der letzte Augenblick.“
„Und wo ist das Reptil jetzt?“
fragte Karl.
„Die Polizei hat es einem Zoo
übergeben. Der verfügt über Aquarien und Terrarien — auch für Giftschlangen.
Der Schlange kann man nichts übelnehmen. Sie hatte sicherlich Angst. Das machte
sie aggressiv. Sie wußte ja nicht, daß sie herhalten sollte als Mordwerkzeug.“
„Unglaublich!“ empörte sich
Klößchen. „Sag mal, wie kommst du morgen raus nach Wexenstein? Dein Rennrad ist
ja immer noch kaputt.“
„Nach der Schule“, sagte Tim,
„bringe ich’s zu der Fahrrad-Handlung, wo ich’s gekauft habe. Aber die
Reparatur wird dauern. Vielleicht können sie mir ein Leih-Rennrad geben.“
*
Am nächsten Mittag, gleich nach
dem Unterricht in der großen Internatsschule, die bekanntlich 20
Trablauf-Minuten außerhalb der Großstadt liegt im Grünen und südlich — gleich
nach dem Unterricht also transportierte Tim sein defektes Rennrad zur
Fahrrad-Handlung.
Ein langer Weg. Und mühselig
war’s. Denn er mußte den Drahtesel auf dem Hinterrad rollen, wollte er ihn
nicht tragen.
Bei der Firma hatte er Pech.
Der Inhaber, den er kannte, war nicht da. Ein dümmlicher Angestellter wußte von
nichts, konnte auch nicht abschätzen, ob sich die Reparatur lohne.
„Ein Leih-Rad? Nee“, meinte er.
„So was haben wir nicht.“
Und wie komme ich jetzt nach
Wexenstein, überlegte der TKKG-Häuptling. Mit der S-Bahn? Sie fährt bis
Rödlkamp. Von dort sind es nur noch zehn Minuten zu Fuß. Also gut, mit der
S-Bahn! Ist mal was anderes.
Er joggte los zur Station
Hüttenplatz.
Im Laufen prüfte er, ob er
genug Geld bei sich hatte. Hoffentlich reichte es für den Fahrschein.
Noch zwei Straßen. Es war das
Weichbild der Großstadt mit herbstbunten Gärten und kleinen Häusern.
Tim hörte das Rumpeln der
S-Bahn. Verdammt, sie war bereits da. Wie lange hielt sie? Er begann zu
spurten.
12. Ausgeraubter
Geldtransporter
Tim sah der S-Bahn nach. Sie
hatte 100 Meter Vorsprung, verließ eben die Station Hüttenplatz, rumpelte über
eine Weiche auf die richtige Schiene und nahm Fahrt auf.
Nur um eine halbe Minute hatte
er das Nahverkehrsmittel verpaßt. Aber dicht daneben ist bekanntlich auch
vorbei; und jetzt stand er da — im milden Glanz der Herbstsonne — mit
Unmutsfalten auf der Stirn und einem Fragezeichen dahinter.
Wie kam er nach Rödlkamp?
Die S-Bahn fährt nur im
Stunden-Rhythmus. Hüttenplatz ist die letzte Station in der Großstadt. Zu Fuß
nach Rödlkamp — das konnte er vergessen.
Er drehte sich um, trabte los,
joggte die Lerchröder Allee hinunter
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