Feind aus der Vergangenheit
Klößchen.
„Komm rein“, sagte Helga.
„Ich will nicht stören, will
nur sagen: Tim hat wieder angerufen. Er und Gabys Vater haben einen Terroristen
gefangen.“
*
So, dachte Tim, kann ich nicht
zu der Fete gehen. Nicht mit Holunderbeer-Saft auf dem Pullover.
„Da hat meine Frau einen ganz
tollen Fleckenentferner“, meinte Glockner, fuhr einen Umweg durch die Großstadt
und setzte Tim ab.
Gabys Mutter war zu Hause,
genauer gesagt: in ihrem Feinkostladen. Im Moment war kein Kunde da, und Margot
Glockner — bekanntlich von Tim hoch verehrt — konnte sich seinem Outfit widmen.
Natürlich wollte sie wissen,
was sich ereignet hatte, und ihr künftiger Schwiegersohn berichtete.
„...ist aber dieser Trensl
nicht zu Hause“, sagte er abschließend. „Ihr Mann und zwei seiner Leute sind
dort eingedrungen und liegen auf der Lauer. Irgendwann muß der Terrorist ja
zurückkommen. Ihr Mann will ihn unbedingt fassen. Weil er und dieser Flühm, von
dem man gar nichts weiß, jeden Anschlag auch allein machen können. Sie haben
die Hälfte der Beute — 600 000 DM. Das reicht allemal. Nach Paluschkes
Verhaftung werden die beiden Neroisten nun erst recht zuschlagen. Erstens weil
sie das sowieso draufhaben. Und zweitens aus Rache. Nero, der unbekannte Chef,
ist sowieso ein Vergeltungs-Typ.“ Margot seufzte. „In was für einer Zeit leben
wir!“
Tim grinste. „Aufgrund meiner
Geschichtskenntnisse würde ich sagen, sie ist nicht schlechter als andere
Zeiten. Nur die technischen Möglichkeiten für Katastrophen haben sich
verbessert. Am ausgereiftesten sind Technik und Fortschritt immer dort, wo es
um Vernichtung geht. Das scheint ein einprogrammierter Fehler in den Gehirnen
zu sein.“
Margot hatte seinen Pullover
gereinigt. Er durfte sich das Tourenrad borgen, das ihrem Mann gehört, und
zischte los: hinaus aus der Großstadt, durch die herbstliche Landschaft nach
Rödlkamp.
Bei der Meier-Micksner-Villa,
die etwas erhöht am Prominenten-Hügel steht, war der Vorplatz vollgeparkt mit
Nobel-Fahrzeugen. Die Ehrengäste waren selbstverständlich nicht mit dem Taxi
gekommen. Weit und breit entdeckte Tim keine Tretmühlen. Also hatten sich seine
Freunde fußläufig eingefunden. Oder?
Als Tim seinen Drahtesel
abstellte, zwängte sich neben ihm ein blauer Citroen millimetergenau in eine
Lücke. Der Fahrer sah, daß Tim vorbeiging, riß aber trotzdem die Tür auf.
Sie traf den TKKG-Häuptling an
der Hüfte. Auf seiner hellblauen Jeanshose hinterließ die Berührung einen
öligen Strich.
„Darf ich mich herzlich
bedanken!“ sagte Tim. „Eben habe ich mich feingemacht. Und jetzt versaut mir
ein Tölpel die Hose. Fahren Sie auch so wie Sie aussteigen — oder nehmen Sie
sonst Ihre Augen zu Hilfe?“
Der Mann wurde immer größer,
als er ausstieg, trug seidige Eleganz und hatte ein scharfgeschnittenes
Gesicht. Prachtzähne lächelten. Aber der Blick war so kalt wie die eisblauen
Augen.
„Du sahst doch, daß ich
aussteigen wollte.“
„Aber ich war schon im Vorbeigehen,
Sie kennen wohl die Parkplatz-Regeln nicht.“
Tim ließ ihn stehen und trabte
zu der mächtigen Freitreppe. Ein Benehmen, dachte er. So ein rücksichtsloser
Typ walzt auch Hühner und Igel platt.
Als er auf die Stufen
hinaufsprang, kamen ihm seine Freunde entgegen, als hätten sie seine Ankunft
geahnt.
Er umarmte Gaby. Klößchen
grinste. Claudia verlor in diesem Moment ein Schmuckkämmchen. Aber Tim konnte
es aufheben, bevor der Citroen-Fahrer drauftrat. Denn dynamisch und forsch
wippte er soeben die Treppe hinauf.
„Wer ist dieser Typ?“ fragte
Tim die Tochter des Hauses. Claudia hob die Schulter. „Ich kann nur vermuten.
Es könnte sich um einen gewissen Martin Casseur handeln. Der kommt nämlich,
weil er...“
*
Nur wer unbedingt weg mußte,
verließ das Fest vorzeitig. Die meisten drängten sich nach wie vor in der
Kaminhalle. Man redete und ging immer mal wieder ans Buffet. Claudias Vater,
der Pharma-Produzent, hatte Casseur entdeckt, begrüßte ihn, und beide zogen
sich in die Bibliothek zurück. Dieter Meier-Micksner wollte nicht reden, wenn
Dutzende von neugierigen Lauschohren in der Nähe waren.
„Ist ja riesig nett, daß Sie
mich eingeladen haben“, meinte Casseur — und behielt das etwas spöttische
Grinsen bei. „Ihre verehrte Gattin sah ich im Vorbeigehen. Bezaubernd,
bezaubernd! Ach so! Ich wollte mich entschuldigen. Das hatten wir ausgemacht,
nicht wahr? Also! Hiermit...“ Sein Lächeln wurde
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