Feind der Familie (Rex Corda Nova) (German Edition)
auf jeden Fall rechtzeitig unsere Dosis Voxidel einnehmen. Wir dürfen kein unnötiges Risiko eingehen.«
Javan ließ sich nicht anmerken, ob er durch diese Schilderung beeindruckt war oder nicht. Er raffte sich auf und schaute auf die langsam niedergehende Sonne.
»Sorgen wir uns erstmal darüber, daß uns Ihre Landsleute nicht bekommen«, meinte er schließlich. »Wir sollten unseren Weg Richtung Osten fortsetzen. Dort wird die Wildnis noch zerklüfteter, es ergeben sich mehr Möglichkeiten zur Deckung und vielleicht finden wir eine Stelle, an der wir für die Nacht lagern können.«
»Sie haben Recht!« erwiderte Benilon und winkte die anderen zu sich. »Noch haben sie uns nicht. Wir sollten alles tun, daß es auch noch eine Weile so bleibt.«
Seine Worte, die Hoffnung und Zuversicht ausdrücken sollten, klangen nicht nur in seinen eigenen Ohren hohl und leer.
Doch niemand sagte etwas, alle nickten nur.
Benilons Blick fiel auf Sheeva. Der Gedanke, was die Orathonen mit der Frau anstellen würden, wenn sie in ihre Hände fiel, bedrückte ihn mehr, als er öffentlich zugeben wollte. Er gesellte sich zu ihr, als die Gruppe ihren Marsch wieder aufnahm.
Einige Minuten schritten sie schweigend nebeneinander her, bis Nomar schließlich das Wort ergriff.
»Sheeva, ich möchte etwas vorschlagen«, brachte er etwas mühsam hervor. Die Urung’hir hob nur ihren Kopf, sparte ihre Kräfte.
»Ich war lange Jahre ein überzeugtes Mitglied der FAMILIE und ein hoher Offizier«, setzte Nomar umständlich fort. »Ich weiß, was mit Gefangenen geschieht. Selbst, wenn wir alle Voxidel einnehmen und definitiv nichts mehr aus uns herauszuholen ist, sind es vor allem die Frauen, die als Gefangene besonders zu leiden haben.«
»Ich weiß, ich habe den Krieg auf Urung nicht vergessen«, erwiderte Sheeva schwach. »Aber mir war dieses Risiko bekannt, Nomar.«
»Ja, sicher«, beeilte dieser sich zu sagen. »Doch es ist für Frauen noch einmal anders, schlimmer, entwürdigender. Du weißt, was alles passieren kann... ich meine...«
»Foltern, mehrfach vergewaltigen, töten«, sprach Sheeva aus, was Nomar nicht über die Lippen brachte. Der Orathone nickte bedrückt.
»Was ist dein Vorschlag?«
»Wenn deutlich wird, daß unsere Situation unhaltbar ist, geben wir alle Dir die Rationen und weitere Ausrüstungsgegenstände, die wir noch bei uns führen - Ghavani trägt einen laktonischen Nadler bei sich, obwohl er glaubt, ich hätte es nicht bemerkt. Javan wird sicher auch noch die eine oder andere Überraschung bei sich haben. Du nimmst alles und trennst dich von uns. Du mußt untertauchen und hoffen, daß die Orathonen die Suche nach dir abbrechen, sobald sie uns gefunden haben - vor allem Javan und mich. Es gibt gute Chancen, daß nach Abschluß der Aktion ein Kommando unserer Organisation nach uns suchen wird. Im Keller des Stützpunktes sind weitere Nahrungsmittel versteckt, vielleicht kannst du später an sie herankommen. Du hättest als Einzelne, ohne uns hochrangige Begleiter, eine Chance zu überleben.«
Nomar sah, wie es in Sheeva arbeitete. Gleichzeitig fing er ein zustimmendes Kopfnicken Ghavanis auf, der offenbar mitgehört hatte. Javan wiederum würde auf den Rat des erfahrenen Feldagenten hören. Sheeva jedoch mußte zustimmen.
»Du hast Recht«, murmelte sie unvermittelt. Sie hob ihren Kopf und blieb stehen. »Ich kann keine Unlogik in dem finden, was du gesagt hast, Nomar.«
»Dann machen wir es so.«
»Es gefällt mir nicht.«
»Mir gefällt es sehr. Es könnte dein Leben retten.«
»Dann hast du mit deinem eigenen schon abgeschlossen.«
Nomar blickte sich um, in die Gesichter der anderen Männer, in denen er plötzlich lesen konnte wie in einem aufgeschlagenen Buch.
»Wir alle sind schon tot, Sheeva«, meinte er schließlich leise. »Aber so lange für dich eine Chance besteht, sollten wir sie nutzen. Alles andere wäre sehr edelmütig, aber vor allem ausgesprochen dumm.«
Sheeva nickte. Ghavani ergriff das Wort.
»Dann sollten wir das gleich tun, so lange sich die Schlinge noch nicht allzu fest um uns gezogen hat«, erklärte er mit fester Stimme. Er holte einen kleinen Nadler aus seiner Kombination hervor und überreichte ihn Sheeva, die ihn ohne zu zögern nahm.
»Nehmt noch einen Schluck Wasser«, flüsterte sie bedrückt, als die Männer ihr die Notrationen geben wollten. »Nur noch einen kleinen Schluck...«
Tränen ließen feuchte Bahnen im staubbedeckten Gesicht der Frau
Weitere Kostenlose Bücher