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Feind in Sicht

Feind in Sicht

Titel: Feind in Sicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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und gab den Befehl weiter.
    Bis ein weiteres Geschoß in die Bordwand einschlug, fand Bolitho Zeit für Verständnis und Mitgefühl mit Stepkynes Verärgerung. Diese sorgfältig gezielten Schüsse hinzunehmen, ohne das Feuer zu erwidern, war fast mehr, als jemand ertragen konnte. Doch wenn er Gegenwehr zuließ, mochte der französische Kommandant seine wahren Absichten sofort durchschauen und hatte noch Zeit, seinen Kurs zu ändern.
    Gossett knurrte: »Die Froschfresser segeln so dicht am Wind, wie sie nur können, Sir.« Er fluchte, als ein Geschoß über die Netze jaulte und weit querab einschlug. »Wenn er versucht, über Stag zu gehen, gerät er bald in die Klemme.«
    Bolitho sah, wie die verwundeten Matrosen zum Hauptniedergang geschafft wurden; eine Blutspur markierte jeden Fuß des Wegs. An den Geschützen drehten sich ein paar Kanoniere mit erstarrten Gesichtern nach ihnen um.
    Näher und näher kamen sich die Schiffe, bis der führende feindliche Zweidecker nur noch eine Kabellänge vom Backbordbug der
Hyperion
entfernt war.
    Bolitho preßte die Hände hinter dem Rücken zusammen, bis der Schmerz wieder Ordnung in seine rasenden Gedanken brachte. Jetzt konnte er nicht länger warten. Jeder Augenblick mochte ein gutgezieltes Geschoß oder ein Zufallstreffer einen entscheidenden Schaden im Rigg anrichten oder sein Schiff manövrierunfähig machen, ehe er seine Drehung ausführen konnte.
    Ohne Gossett anzusehen, befahl er scharf: »Ruder hart Backbord!« Als das Rad sich knarrend zu drehen begann, legte er die Hände als Trichter an den Mund und schrie: »Klar zur Halse! Alle Mann an die Schoten, Halsen und Brassen!«
    Er sah die großen Schatten der Segel über die kauernden Kanoniere streichen, hörte das Winseln der Blöcke und das wilde Stampfen nackter Füße, als die Matrosen sich in die Taue warfen und sich das Schiff dann langsam dem Franzosen zuzuwenden begann.
    Ein, zwei Sekunden dachte Bolitho, er hätte zu früh gehandelt und beide Schiffe würden vierkant zusammenstoßen. Doch als die Rahen zur Ruhe kamen, die Leinwand oben sich wieder füllte, sah er den anderen Zweidecker an Backbord vorüberziehen. Seine Masten befanden sich fast in einer Linie. Wie Gossett schon bemerkt hatte, konnte der Feind nicht wieder in die bessere Position kommen, ohne direkt in den Wind zu drehen, aber er konnte auch nicht abfallen, falls der Kommandant sein ungeschütztes Heck nicht der Breitseite der
Hyperion
aussetzen wollte.
    Bolitho brüllte: »Volle Breitseite, Mr. Stepkyne!«
    Er sah die Stückführer sich an ihren Geschützen ducken, die Abzugsleinen gespannt, während sie durch die offenen Pforten spähten und ihre Bedienungen bereitstanden, die Rohre mit Handspaken zu schwenken oder zu heben, wenn es erforderlich war.
    Ein Geschoß schlug durch die Backbordgangway, und ein Mann schrie wie ein gepeinigtes Tier auf. Doch Bolitho hörte es kaum. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er das näherkommende Schiff. Die Leute um ihn herum und der Kommodore waren vergessen, als er sah, wie die Bramsegel seiner
Hyperion
ein verzerrtes Schattenmuster über den Bug des Franzosen warfen.
    Er hob die Hand. »Auf dem Höhepunkt…« Er machte eine Pause, seine Kehle war trocken wie heißer Sand. »Feuer!«
    Die Breitseite der
Hyperion
krachte laut wie hundert Donnerschläge, und während das ganze Schiff bebte, als ob es aufgelaufen wäre, wurde der Rumpf des Feindes von aufwallendem Pulverqualm völlig verhüllt.
    Jenseits des nur fünfzig Meter breiten Wasserstreifens mußte die Breitseite wie eine Lawine gewirkt haben. Bolitho konnte sehen, daß Männer den Mund aufrissen und brüllten, aber hören konnte er noch nichts. Das schärfere, ohrenbetäubende Krachen der Neunpfünder auf dem Achterdeck hatte Denken und Hören fast unerträglich schmerzhaft gemacht. Dann sah er über dem aufsteigenden Pulverrauch, daß die Rahen des französischen Schiffs unkontrolliert überkamen und die Obersegel im entgegenstehenden Wind wild schlugen.
    Als er wieder hören konnte, vernahm er das Triumphgeschrei seiner Stückführer. Dann sah er Dawsons Marinesoldaten zu den Finknetzen gehen, die langen Musketen wie bei der Parade geschultert. Als Dawsons den Degen senkte, feuerten die Musketen wie eine einzige, und die Kugeln flogen durch den Rauch, um zur allgemeinen Verwirrung an Bord des Feindes beizutragen.
    Stepkyne kam auf dem Hauptdeck nach achtern und fuchtelte mit den Händen, als ob er seine Leute zurückhalten wolle.

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