Feind in Sicht
wollen. Er steckt voller Fieber und Tod. Kein Wunder, daß die Piraten sich dort sicher glaubten.«
Pelham-Martin sah verärgert hoch. »Wenn Sie jetzt fertig sind, meine Herren?« Er schob seinen massigen Körper an die Kante des Sessels vor. »Mich interessiert nicht, was Piraten getan oder nicht getan haben, und auch den Sumpf finde ich nicht wichtig. Tatsache ist, daß Lequiller in Las Mercedes Zuflucht und Unterstützung gefunden hat, und ob es spanisches Gebiet ist oder nicht, ich habe die Absicht, ihn dort zu stellen.«
Kapitän Fitzmaurice rückte unbehaglich auf seinem Sessel hin und her. »Aber bestimmt würde ein Angriff auf spanisches Gebiet von Spanien als feindlicher Akt angesehen werden, Sir.«
Winstanley nickte. »Wir könnten damit genau das tun, was Lequiller sich wünscht. Es würde schneller als alles andere Spanien ins französische Lager treiben.«
Pelham-Martin tupfte sich mit schnellen, heftigen Bewegungen die Stirn ab. »Darauf komme ich noch.«
»Vielleicht darf ich etwas dazu sagen?« De Block trat vor, seine Pfeife war immer noch nicht angezündet. »Der Kapitän meines Schoners hat auch berichtet, daß sich im Gefängnis von Las Mercedes den Gerüchten nach englische Seeleute befinden sollen.« Er hob die Schultern. »Vielleicht sind es Meuterer oder Deserteure von einem vorbeifahrenden Schiff. Das ist ohne Belang.« Seine Augen funkelten. »Aber ihre Anwesenheit in Las Mercedes könnte Ihnen als Begründung für eine genauere Überprüfung dienen, oder?«
Der Kommodore sah ihn steinern an. »Ich war eben im Begriff, das zu sagen, de Block.« Er schnaufte. »Sie haben es jedoch so treffend formuliert, daß ich nur zustimmen kann.«
Bolitho rieb sich das Kinn. Vor seinem geistigen Auge sah er den Naturhafen, dreihundert Meilen von St. Kruis entfernt. Er war ein ideales Versteck, und ein Mann wie Lequiller, der dieses Gebiet genau kannte, hatte ihn zweifellos sorgfältig ausgewählt. Wenn es Lequiller gelungen wäre, auch St. Kruis zu nehmen, wäre die Situation noch schlimmer gewesen.
Nachdenklich sagte er: »Sie könnten eine Schaluppe nach Caracas schicken, um den Generalgouverneur zu informieren, Sir. Vielleicht möchte er seine Schatzschiffe zurückhalten, bis wir das französische Geschwader gefunden und vernichtet haben.« Er blickte auf und erkannte plötzlich Feindseligkeit in Pelham-Martins Augen.
»Ihn informieren? Nach seiner verdammten Unverschämtheit?« Pelham-Martin schwitzte stark. »Wahrscheinlich arbeitet er Hand in Hand mit dem Gouverneur von Las Mercedes. Den soll ich informieren?« Mühsam beherrschte er seinen Ärger. »Das werde ich gern tun, aber erst, wenn ich ihm diesen verräterischen Spanier dabei ausliefern kann.«
Bolitho sah auf die Karte. Er konnte es Pelham-Martin kaum verübeln, daß er als Erwiderung auf die Beleidigung das gesamte Verdienst für sich in Anspruch nehmen wollte.
Er sagte: »Nach meinen Erfahrungen, Sir, ist es nicht wahrscheinlich, daß der Generalgouverneur etwas davon weiß. Die spanischen Provinzgouverneure handeln im allgemeinen sehr selbständig und sind nur dem Hof verantwortlich. Oft vergehen Monate, bis eine Entscheidung Zustimmung findet, folglich agieren viele auf eigene Faust, ohne andere zu Rate zu ziehen, auch nicht für den Fall, daß es später zu Mißhelligkeiten kommen sollte.«
Winstanley räusperte sich. »Das ist richtig, Sir.«
»Um so mehr Grund, keinem zu trauen, oder?« Pelham-Martins gute Laune kehrte zurück. »Diesmal warte ich nicht darauf, daß Lequiller die Initiative ergreift. Wir laufen sofort aus.«
Bolitho trat vom Tisch zurück. »Ich halte die Barkasse für Sie bereit, Sir.«
Pelham-Martin wandte sich ab. »Vielen Dank, aber das ist nicht nötig. Ich setze meinen Stander auf der
Indomitable
.« Er nickte knapp. »Kehren Sie auf Ihre Schiffe zurück, meine Herren. In zwei Stunden setzen wir Segel.«
Später, als Bolitho an der Achterdecksreling der
Hyperion
stand, fragte er sich, was Pelham-Martin dazu bestimmt haben konnte, das Flaggschiff zu wechseln. Als sich der Doppelstander im Masttopp der
Indomitable
entfaltete, hatten mehrere Matrosen auf der Gangway ihrer Empörung Luft gemacht. Wahrscheinlich glaubten sie, mehr als alle anderen im Geschwader dazu beigetragen zu haben, den Feind zum Kampf zu stellen; im Entschluß des Kommodore mußten sie einen unausgesprochenen Tadel sehen, den sie nicht verstehen konnten.
Auch Bolitho verstand es nicht; dennoch, als er später seine Offiziere
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