Feind
fügte Helion an.
Gonnar schüttelte den Kopf. »Sie hat den Tag in der Schatzkammer
verschlafen. Ich hoffe, sie war enttäuscht davon, wie wenig Gold uns der Krieg
gelassen hat.« Er lachte freudlos. »Aber jetzt ist sie im Kerker.«
»Was will sie dort?«
»Prinz Varrior bat um eine Unterredung. Er wird sie so lange
aufhalten, wie er kann, aber offengestanden weiß er wenig zu berichten. Wir
sollten uns beeilen.«
Helion zeigte auf Limoras. »Kann er gehen?«
Das Licht des Ölfeuers fiel so auf Ajinas Gesicht, dass ihre blauen
Augen ihn anstrahlten. »Ich konnte die Blutung stoppen, aber das Gewebe braucht
länger, um zu verheilen.«
»Könnt Ihr aufstehen?«, wandte er sich direkt an den Fayé.
Limoras drückte sich probeweise mit dem Rücken an der Wand hoch. Als
er das rechte Bein belastete, zischte er schmerzerfüllt und knickte wieder ein.
»Dann bleibt Ihr hier!« Er wandte sich wieder dem Burgherrn zu.
»Geht voran!«
Gonnar blendete die Laterne auf, die er hinter sich abgestellt
hatte, und wandte sich zur Treppe.
»Wie viele Gardisten hat sie bei sich?«
»Etwas mehr als ein Dutzend.« Er lachte leise. »Aber das wird kein
Problem sein.«
»Dann haben wir doch noch Verbündete in der Festung?«
»Bestimmt. Irgendwo werden noch welche sein, in manchem Winkel sogar
solche, die noch nicht in Eisen liegen. Aber die können uns nicht helfen.
Unsere Verbündete ist Guardaja selbst.«
»Wie meint Ihr das?«
»Ich kenne meine Burg. Besser als jeder andere. Besser vor allem als
das Geschmeiß aus den Schatten. Sie hat ihre Geheimnisse gut gehütet. Zum
Beispiel, was die Fluchtgänge betrifft. Durch einen von ihnen wird Lisanne
kommen, wenn sie vom Kerker aus hinaufsteigt.«
»Was hat es damit auf sich?«
»Verfolger sind eine lästige Sache, wisst Ihr? Deswegen lassen sich
diese Gänge leicht zum Einsturz bringen. Vorausgesetzt, man weiß, an welchem
Hebel man ziehen muss.«
»Ein paar Steinquader werden eine Schattenherzogin nicht töten«,
wandte Modranel ein.
»Sie nicht«, erwiderte Gonnar. »Aber ihre Garde ist weniger robust.
Und der Rest liegt dann in Händen, die von untadeliger, lichter Gesinnung
unfehlbar geführt werden. Euren.« Diesmal war sein Lachen lauter.
Diese Impertinenz! Liólas Kiefer schmerzten, so fest presste sie
die Zähne aufeinander. Sie war so stolz gewesen, hatte sich den ganzen Tag über
die perfekte Formulierung zurechtgelegt, um Lisanne davon in Kenntnis zu
setzen, dass Prinz Varrior, dieser Wurm, den Wunsch verspüre, ihr alles Wissen
zu Füßen zu legen, das er über das Reich seines Vaters besaß. Und dann bewies
der Nichtswürdige, dass sein Schädel genauso dick war wie der des Stiergottes,
den er verehrte! Niemals in ihrem ganzen Leben hatte sie sich so sehr geschämt.
Ihre Wut war so stark, dass sie sogar die Hingabe überschattete, die die
Präsenz der Schattenherzogin einforderte. Damit war es jetzt ohnehin vorbei.
Lisanne verließ den Kerker und die Gardisten warfen Lióla spöttische Blicke zu,
als sie ihrer Herrin folgten.
Mühsam beherrscht schloss Lióla die Tür. Jetzt war sie allein mit
Brünetta, dem in Ketten geschlagenen Varrior und einer rußenden Fackel. Die
guten Lichter hatten die Gardisten mitgenommen.
Sie wandte sich um und ging mit gesenktem Haupt auf den
Uneinsichtigen zu. »Das werdet Ihr büßen!«, zischte sie.
»Was denn, Mädchen?«, fragte er ohne die Spur eines Zitterns in der
Stimme. Vielleicht waren diese Milirier doch so hart, wie man sagte.
»Wie könnt Ihr es wagen, solch belangloses Zeug in Gegenwart der
Schattenherzogin zu reden?«
»Sie ist Eure Herrin, nicht meine. Ich habe ihr niemals die Treue
geschworen.«
»Darauf kommt es nicht an!«, kreischte Lióla. »Eure Schwüre sind
belanglos! Was Ihr wollt oder nicht wollt, interessiert keinen mehr! Ihr seid
ein Niemand! Ein unbedeutender Mensch! Bald nicht einmal mehr das! Seht Euer
Schicksal!« Sie stieß den Zeigefinger in Brünettas Richtung.
»Terron wird meine Seele durch das Nebelland leiten. Sie wird nicht
mehr da sein, wenn Ihr meinem Körper dies antut. Es wird eine leere Hülle sein,
die Euch dient.«
Lióla war versucht, Brünetta zu befehlen, ihm einen Arm auszureißen,
nur um den hochmütigen Ausdruck von seinem Gesicht zu wischen. Tief atmete sie
durch. Das wäre zu wenig. Er würde an der Wunde verbluten. Vielleicht legte er
es sogar darauf an, um den Schmerzen und der Erniedrigung zu entgehen. Aber
daraus würde nichts werden. Lióla war keine
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