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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Dunkelruferin geworden, weil sie
sich hätte hinreißen lassen. Die Kühle der Schatten hatte sie bis
hierhergebracht. Ihrem dunklen Pfad wollte sie auch jetzt folgen.
    »Viel mehr als ein leeres Gefäß seid Ihr auch jetzt nicht. Ihr habt
Euer Leben verschwendet. Euer Volk hätte es gut haben können, wenn Ihr die
Silberminen hergegeben hättet. Ihr wisst, dass Ondrien stets zu seinem Wort
steht. Eine Vereinbarung hätte erzielt werden können. Stattdessen seid Ihr wie
ein saftloser Baum, der im Sturm bricht. Wie viele Tausend Eurer Getreuen
modern vor den Mauern dieser Festung, die nun unser ist? Wie viele werden sich
zu ihnen legen, jetzt, wo unserem Heer der Weg nach Süden offensteht? Ihr seid
bedeutungslos, und Eure Gedanken sind ohne Wert.«
    »Wenn dem so ist, warum wollte Eure Herrin dann meinen Worten
lauschen?«
    Liólas Finger knackten, als sie die Fäuste zusammenpresste.
Hoffentlich waren die Gardisten nicht schwatzhaft. Wenn sie herumerzählten,
dass der Wille des Prinzen den Fragen Lisannes getrotzt hatte, würde das die
Moral des Heeres untergraben. Lióla war unbegreiflich, wie er das fertiggebracht
hatte. Man munkelte davon, dass herausragende Heiler Hochadligen kleine
Silberbarren unter der Schädeldecke anbrachten, um sie vor zauberischer
Beeinflussung der Gedanken zu schützen. Vielleicht war etwas daran. Oder der
Prinz hatte von den Hohepriestern des Stiergottes einen machtvollen Segen
empfangen, der noch nachwirkte. Aus eigener Stärke hatte er keinesfalls
widerstehen können. Aber das mochten nicht alle Beobachter richtig einschätzen,
und zudem änderte es nichts an der Tatsache, dass blasphemischer Widerstand
gegen eine Schattenherzogin möglich war. Lióla sah sich aus der Gunst der
Schatten fallen. Wen sonst als nur sie würde Lisanne für dieses Desaster
verantwortlich machen? Lióla brauchte dringend einen Schuldigen. Vielleicht den
Wächter, der ihr von Varriors Bereitschaft zur Zusammenarbeit berichtet hatte.
Genau! Der Trottel hatte ihr die Nachricht falsch übermittelt, und nur deswegen
hatte sie Lisanne den törichten Vorschlag überbracht. Jetzt musste sie nur noch
einen Idioten finden, von dem sie behaupten konnte, er sei dieser Wächter. Dass
er alles abstreiten würde, war unwichtig, das würde man erwarten …
    Brünettas Schmatzen holte ihre Aufmerksamkeit zurück.
    »Stell den Tisch so, dass der Fackelschein darauf fällt«, befahl
sie.
    Der Ghoul gehorchte.
    »Die Kiste.« Sie zeigte auf das hölzerne Behältnis, einen halben
Schritt lang und breit, aber nur eine Handspanne tief.
    Brünetta war zu dumm, den Griff zu benutzen. Sie packte die Kiste an
beiden Seiten und legte sie ungeschickt auf den Tisch.
    Lióla schob sie mit einem Wink zur Seite. Ich
muss ihr ein neues Kleid besorgen. Sie öffnete die beiden Verschlüsse
und klappte die Kiste auf. Im Deckel und im einzigen Fach waren Instrumente
sorgfältig festgebunden, sodass sie beim Transport nicht verrutschten. Messer.
Haken. Ein Beil. Kleine Sägen. Gewichte. Kettchen. Nadeln. Dornen. Lióla würde
sie alle verwenden, um Varrior vorzubereiten. Wen kümmerte es schon, wenn er
ein verkrüppelter Ghoul wurde? Das war sogar besser! Damit würde sein Fall noch
tiefer, ein noch besseres Beispiel für jene, die von ihrem Trotz nicht lassen
wollten. Sie lächelte ihn an, während sie mit einem geölten Tuch den
langstieligen Löffel polierte, der dazu gedacht war, das Mark aus einem Knochen
zu kratzen.
    Lautes Donnern drang durch die Decke, wie von einer Steinlawine.
Sogar Brünetta zuckte zusammen. Die Festung stürzt ein!, dachte Lióla.
    Varrior lachte schallend.

    Steinstaub erfüllte den Gang und brannte bei jedem Atemzug in
den Lungen. Ajina hustete heftig, aber das machte es nur schlimmer. Ihre Augen
tränten. Nach der gestrigen Verwundung war die Taubheit trotz des Heilsegens
noch immer nicht vollständig aus ihrem linken Arm gewichen. Neben ihr schrie
Deria. Gonnars Laterne leuchtete durch den Dunst und ließ die Gestalt der auf
dem Boden kauernden Frau erahnen.
    Ajina lief zu ihr und versuchte, die Hände fortzuziehen, die sie
noch immer gegen die Ohren presste, obwohl keine Steine mehr aus der Decke
fielen. Es gelang nur mit Mühe. Dann verpasste sie Deria eine so kräftige
Ohrfeige, dass der Helm verrutschte. Das half. Ihre Tränen wurden stumm.
    Enttäuschte Hoffnung, das Grab der eigenen Tochter, ein blutiges
Ritual, eine dämonische Wesenheit, eine Festung, so schwer wie ein Berg, die
drohte, über dem eigenen

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