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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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zu
übergeben. Aber sie beschwerte sich nicht. Es hätte auch nichts genützt. Sie
waren zu weit gegangen, um jetzt noch umzukehren.
    »Ich denke, wir können eintreten«, näselte Limoras nach einer Weile.
    Die Made saß auf der Tür wie eine Schnecke, die an einem Baum
aufwärts kroch. Die Eisenbänder waren verbogen, das Holz der Tür verformt.
Helion wusste nicht, woher der Eindruck kam, aber ihm schien, dass das Holz
noch gequälter aussah als das Gesicht des Gefolterten, der endlich im Nebelland
angekommen war. Es wirkte, als hätte es unter der Berührung der Made Wellen
geschlagen, die jetzt erstarrt waren. Seine Muster ähnelten einem zu einem
stummen Schrei aufgerissenen Mund. Limoras griff durch diese Öffnung, um innen
nach dem Riegel zu tasten. Von einem metallischen Knacken begleitet zog er ihn
auf, um dann die Tür aufzuschieben.
    Deria sah angewidert auf die Made. Sie achtete darauf, weder die
ausgeweidete Leiche noch die um sie herum platzierten Organe zu berühren, als
sie zitternd ihre Schritte setzte.
    Limoras verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen, packte die
Unkreatur, die er beschworen hatte, und schleuderte sie knapp an Deria vorbei
ins Gebüsch. Er zog sein Schwert, nahm die Öllampe auf und ging voran. Helion
folgte als Zweiter.
    Kaum war Limoras aus dem Gang in den breiter werdenden Raum
getreten, in dem Helion Pepp erstochen hatte, als er auch schon aufschrie und
zusammenbrach. Die Lampe zersplitterte auf dem Boden. Helion sprang über die
flammende Öllache, um den anderen das Nachrücken zu ermöglichen.
    »Ihr!«, rief er und hielt den Streich zurück, zu dem er schon
ausgeholt hatte.
    Blut tropfte vom Sporn des Rabenschnabels, den Baron Gonnar in den
Fäusten hielt. Limoras presste die Hände auf einen Oberschenkel.
    Gonnar senkte seine Waffe. »Also doch Ihr«, sagte er leise. »Einen
Fayé hatte ich nicht erwartet.«
    »Es schmerzt mich, dass ich Euch enttäuschen musste«, zischte
Limoras. Ajina hockte sich neben ihn und murmelte einen Segen über der Wunde.
    Gonnar grinste wölfisch. Das alte, abgemagerte Gesicht bekam dadurch
Ähnlichkeit mit einem Totenschädel. »Als Herr einer Festung gewöhnt man sich
daran, dass Besucher sich melden lassen. Und als Feldherr weiß man
Überraschungen nicht gerade zu schätzen.«
    Helion senkte das Schwert. »Aber mein Erscheinen überrascht Euch
nicht?«
    Gonnar sah Modranel an, der jetzt aus dem Gang trat. »Offenbar
hattet Ihr keinen Erfolg gestern Nacht. Aber ich wusste, dass Ihr um keinen
Preis aufgeben würdet.«
    »Woher?«
    »Ich habe es in Euren Augen gesehen, Paladin. Euer Leben ist zu arm,
als dass Ihr diesen Kampf aufgeben könntet. Euch bliebe nichts mehr.«
    »Darum habt Ihr auf uns gewartet?«
    »Ich wusste, dass Ihr Euch hier Einlass verschaffen würdet. Wo
sonst? Es ist die schwächste Stelle der Verteidigung. Zumindest die schwächste,
die Euch bekannt ist.«
    Modranel räusperte sich. »Und woher wusstet Ihr, dass wir überlebt
haben?«
    Die schwarzen Schuppen seines Panzers klackten, als er mit den
Schultern zuckte. »Man kann nicht alles wissen. Aber wenn Ihr tot gewesen wärt,
hätten wir ohnehin keine Möglichkeit mehr für den Sieg gehabt. Auch mit dem
Angriff des Heeres nicht.«
    »Angriff?«
    »Die Truppen gruppieren sich im Silbertal. Letzte Nacht war die
Festung nicht mehr zu halten. Wir wussten, dass wir Euch Zeit geben mussten«,
er schenkte Modranel einen herablassenden Blick, »solltet Ihr noch leben. Und
dass Ihr für Euren zweiten Versuch wieder eine Ablenkung brauchen würdet. Also
zogen wir die Truppen ab, ich blieb mit einigen Getreuen hier.«
    Helion dachte an die leichenübersäte Landschaft. ›Abzug‹ war ein
zweifelhaftes Wort für etwas, das man mit vollem Recht als ›vernichtende
Niederlage‹ beschreiben konnte. Wenigstens die Hälfte des Heeres lag tot dort
draußen. »Und wo sind diese Getreuen jetzt?«
    Gonnars Stirn umwölkte sich. »Nicht alles lief so, wie ich es
plante.« Er presste die Zähne aufeinander, bevor er weitersprach. »Aber auch
so, wie Lisanne es sich ausmalt, wird es nicht geschehen.«
    »Dann ist sie wirklich hier in der Festung?«, fragte Helion.
    Deria warf ihm einen beleidigten Blick zu. Sie hatte geschworen, die
Anlage den ganzen Tag über beobachtet zu haben. Nichts hatte sie verlassen, was
als Gefährt für einen Osadro getaugt hätte, während die Sonne am Himmel stand.
    »Immerhin hätte sie durch einen der Verbindungstunnel in eines der
Kastelle gelangen können«,

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