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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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auch wenn dieses Anliegen oft nicht unmittelbar zu
erkennen war. Helion vertraute darauf, dass die Mondschwerter die freien
Menschen schützen wollten und es auch tun würden, unter Einsatz ihres Lebens.
Das galt auch für Kentateos.
    Er glaubte daran, dass Kentateos weitaus mehr vom Krieg gesehen
hatte als er selbst. Kentateos hatte jahrelang die Stellung gehalten, die
Zinnen bemannt, die Nacht um Nacht unter Beschuss gestanden hatten. Im Laufe
der Zeit hatte er Hunderte, wenn nicht Tausende Mondschwerter in die Schlacht
geführt, war ihnen selbst vorangeritten, hatte sicher manche Wunde empfangen,
wenn auch nicht, wie so viele unter seinem Befehl, eine tödliche. Er war
keiner, der ewig leben wollte. Er war unempfänglich für die Verlockungen des
Feindes, er hasste die Schatten ebenso, wie Treaton es getan hatte. Und er
stand in der Befehlskette deutlich über Helion. In mehreren Hundert Meilen
Umkreis war er der ranghöchste Paladin des Ordens.
    Niemand hätte Helion einen Vorwurf gemacht, wenn er sich dem
Entschluss der beiden Feldherren gebeugt hätte.
    Niemand außer ihm selbst.
    Er war nicht in den Orden eingetreten, weil es sein Wunsch gewesen
wäre, einer großen Organisation anzugehören. Er sah den Sinn von Heeren ein, in
denen Befehle die Anstrengungen vieler auf ein gemeinsames Ziel ausrichteten.
Aber das war nicht seine Welt. Er war nicht in Guardaja, weil man es ihm
befohlen hatte. Auch ohne Befehl wäre er hierhergekommen. Selbst wenn er kein
Mondschwert gewesen wäre. Nicht wegen des Goldes, das die Söldner gelockt
hatte, sondern weil es seine Pflicht war.
    Giswons Befehl hatte er bislang nur dem Wortlaut, nicht aber dem
Sinn nach erfüllt. Er hatte Modranel in Lisannes Reichweite gebracht, doch das
eigentliche Ziel, die Schattenherzogin zu vernichten, hatte er nicht erreicht.
Aber auch diese Pflicht war es nicht, die ihm jetzt verwehrte, den Blick zu
senken und sich den Wünschen der Feldherren zu beugen.
    Es war noch nicht einmal die Pflicht, die sich aus Treatons letzten
Worten ergab, obwohl Helion sicher war, dass er es sich sein Leben lang
vorgeworfen hätte, wenn der den letzten Wunsch seines Meisters nicht mit aller
Kraft verfolgt hätte.
    Die Pflicht war ihm in seine gesamte Existenz eingeschrieben. Im
tiefsten Kern seiner Seele wusste er, dass der Grund, aus dem er geboren war,
darin bestand, die Schattenherzogin zu vernichten, um welchen Preis auch immer.
In dem Moment, in dem er kapitulierte, ganz gleich, vor welchen
Schwierigkeiten, wurde sein Leben sinnlos. Ebenso wie die Opfer, die dieser
Kampf bisher gefordert hatte. Estrog und Ajina waren nicht gestorben, um eine
Festung zu halten und Silberminen zu schützen. Sie hatten ihr Leben für ein
ehrgeizigeres Ziel gegeben. Wenn es Helion nicht gelingen sollte, Lisanne zur
Strecke zu bringen, wären sie umsonst gestorben. Sie waren tot, aber Helion
hatte dennoch das Gefühl, dass sie ihn beobachteten, genau in diesem Moment,
und erwarteten, dass er tat, was sie nicht mehr tun konnten.
    Er war nicht dazu geboren, Befehle zu befolgen. Er war geboren, um
Lisanne zu töten.
    Mit einem schleifenden Geräusch zog Helion sein Mondsilberschwert.
»Das hier ist, woran wir uns halten müssen! Die Magie ist eine dunkle Kunst.
Sie hat ihren eigenen Willen, und der strebt der Finsternis zu. Wir hätten
niemals auf sie vertrauen sollen. Das Silber dieser Klinge soll ihren Kopf von
den Schultern schlagen. Davon wird selbst sie sich nicht erholen!«
    Der Blick, mit dem die beiden ihn betrachteten, kündete von ihrer
Überzeugung, er habe den Verstand verloren.
    Hier war nichts zu gewinnen. Entschlossenen Schrittes verließ Helion
das Zelt. Er ging zu dem Wagen, auf dem die Rüstungen der Mondschwerter
gestapelt wurden, kletterte hinauf und stellte sich breitbeinig auf die Panzer,
die seine Kameraden stolz vor der Brust getragen hatten. Neugierige Blicke
sahen zu ihm auf. Dimmoar und Kentateos waren ihm ins Freie gefolgt.
    Tief atmete er durch. Dann reckte er sein Mondsilberschwert der
Sonne entgegen. »Hört! Alle, die genug haben von Lisannes Schrecken, gebt acht!
Ich bin Helion von den Mondschwertern! Zweimal hat Lisanne mich besiegt, aber
um mich zu brechen, ist sie nicht stark genug! Hier stehe ich, in meiner Faust
eine Klinge, die nach ihrem Unleben schreit! Wer den Pass befestigen oder einer
Expedition nach Fenarra folgen will, der soll es tun! Aber mich müsst ihr in
Eisen schlagen, wollt ihr verhindern, dass ich nach Osten gehe! Ich werde
Lisanne

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