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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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er
noch immer gegen die Schattenherzogin kämpfte, wenn seine Konzentration auch
soweit nachgelassen hatte, dass seine Angriffe schwächer waren als vorhin. Wenn
er aber auf den Gedanken verfiel, Lisanne aus dieser Nähe direkt anzusehen …
Wenn er gar ihre Augen aufdrückte … Lióla würgte. Sie durfte sich nicht darauf
verlassen, dass Brünetta ihn davon abhalten konnte. Seine Kraft wirkte jenseits
ghoulischer Muskeln.
    Ein Donnern hallte von oben herab, das Lióla nach den Erfahrungen
der gestrigen Nacht sofort zuordnen konnte. Ein Wurfgeschoss, das gegen die
Mauern der Festung prallte. Aber welches Katapult hatte es abgeschossen? Die
Ondrier besaßen die Festung doch bereits.
    »Meine Tochter«, flüsterte Modranel. »Meine wahre Tochter …«
    Möglich, dass sie seine wahre Tochter war.
    Aber er war nicht ihr wahrer Vater.
    »Ich habe meine Seele den Schatten überschrieben!«, rief sie und
stieß ihr Messer durch die weiche Haut unter seinem Kinn tief in den Rachen
hinein. Sein Blut spritzte heiß auf ihr Gesicht. Er wankte rückwärts.
    Sie spürte, dass sich sein Angriff auf Lisanne abschwächte.
Triumphierend setzte sie nach, brachte ihm eine klaffende Wunde quer über die
Brust bei. »Deine Tochter, ja?« Sie spie ihn an. »Dann sieh, was deine Tochter
gelernt hat! Ich gehöre den Schatten, mit jeder Faser meines Körpers, mit jedem
Funken meiner Essenz, mit all meiner Seele! Die Finsternis ist meine Heimat.
Und sie«, mit dem blutigen Messer zeigte sie auf Lisanne, »ist meine Herrin!«
    Sie trat ihm in den Bauch. Er krümmte sich zusammen. Sie rammte ihm
die Klinge bis zum Heft in die Schulter.
    »Verzweifle!«, brüllte sie. Sie packte seinen vom warmen Lebenssaft
schlüpfrigen Hals, zog ihn hoch, bis er in ihr Gesicht sah. »Dies ist der Ort,
dies ist die Stunde, in der du stirbst! Und die Schattenherzogin wird leben! In
alle Ewigkeit!«
    Sie stach das Messer in seinen Bauch, riss es durch die Gedärme.
Sein Blut sprudelte über ihre Hand.
    Ohne ihn loszulassen, schloss sie die Augen. Sie sah seine
Lebenskraft, spürte sein Entsetzen. In ihm war etwas zerbrochen. Er konnte
nicht länger gegen Lisanne kämpfen. Instinktiv hatte er seinen Schutz
verstärkt, wehrte ihre tastenden Angriffe ab. Aber das würde ihm nichts nützen.
    Modranels Verzweiflung richtete sich auf sie, aber der Grund dafür
lag in Liólas Bindung zu Lisanne. Das reichte, um einen Kanal zu schaffen,
durch den die Dunkelruferin die Essenz leiten konnte. Und der alte Mann hatte
Unmengen an Lebenskraft, wie sie mit freudiger Überraschung erkannte! Gänzlich
unfähig konnte er nicht gewesen sein, auch wenn er sich in seinem Wahnsinn auf
die falsche Seite gestellt hatte. Sie zog alles aus ihm heraus und leitete es
Lisanne zu. Die Lebenskraft durchströmte sie mit solcher Macht, dass Lióla sich
trunken fühlte, als sie versiegte. Sie schwankte sogar, als hätte sie im
Übermaß dem Wein zugesprochen.
    Glücklich glucksend erhob sie sich. Sie hatte gar nicht gemerkt,
dass sie der Leiche zu Boden gefolgt war. Bauch und Brust waren völlig
zerschnitten. Sie rammte das Messer zwischen die Rippen des Toten. Sollte
Modranel die feine Klinge behalten. Er hatte sie sich verdient.
    Lisanne war noch immer nicht bei Bewusstsein, aber sie war nicht
länger gefährdet. Modranels Angriff war beendet, und auch sonst wirkte sie
gefestigt.
    Oben donnerten jetzt ständig Geschosse gegen die Mauern. Die
Menschenfürsten versuchten tatsächlich, Guardaja zurückzuerlangen. Es stand zu
befürchten, dass ihnen das gelingen würde. Wenn die Osadroi Lisanne hätten
helfen wollen, wären sie schon längst hier gewesen. Also hatte sie wohl Panik
erfasst und sie waren geflohen. Unsterbliche wurden selten Zeuge, wie eine der
Ihren an den Abgrund des Vergessens geführt wurde.
    Also mussten auch sie fliehen. Das ging gegen Liólas Stolz, aber der
war unwichtig. Nur Lisanne zählte. Sie mussten eine Kutsche finden, die sie vor
der Sonne schützte. Und zwar schnell, solange noch welche verfügbar waren.
Lióla hatte schon so viel erreicht, aber sie durfte nicht nachlassen, nicht auf
dem letzten Stück der Strecke scheitern! Nicht auszudenken, was die Milirier
mit einer gefangenen Lisanne anstellen würden. Der Tod stünde erst am Ende
ihrer Bemühungen! Es gehörte nicht viel Phantasie dazu, sich die silbernen
Ketten vorzustellen, die Schandmaske aus dem gleichen Metall, eine Schattenherzogin,
die von Stadt zu Stadt geschickt wurde, um auf jedem Marktplatz vom

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