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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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den Kopf, aber das konnte ihn nicht vor
Helions Angriff bewahren. Das Mondsilberschwert durchbrach das Holz. Dabei
verlor der Hieb an Wucht, sodass er den ungedeckten Schädel nicht spalten
konnte, aber der Fayé trug einen tiefen Schnitt davon. Er taumelte rückwärts,
fingerte nach der halblangen Klinge in seinem Gürtel. Helion gab ihm keine
Gelegenheit, die Waffe zu ziehen. Hart rammte der die Schwertspitze gegen den
Rumpf. Die Kleidung aus Ästen und Blättern erwies sich jedoch als überraschend
widerstandsfähig, die Klinge drang nicht durch. Die Blätter bewegten sich
sogar, als hätten sie einen Willen, der den Angriff ablenkte.
    Diese Bewegung setzte sich weiter fort, lief wie eine Welle durch
das Gewand. Raschelnd verschoben sich die Äste, große fleischige Blätter legten
sich wie ein Helm um den Kopf ihres Trägers, der nun auch endlich seine Klinge
frei bekam.
    Helion holte weit aus. Er zog den kräftigen Schlag aber nicht durch,
wartete nur darauf, dass der Fayé seine Klinge zur Abwehr hob. Er ließ das
Mondsilberschwert abfallen und riss es sogleich wieder hoch, sodass es die
Schwerthand des Gegners traf.
    Drei der sechs Finger flogen gemeinsam mit der Waffe davon. Der Fayé
kreischte, machte einen zitternden Schritt rückwärts.
    Helion brachte ihn mit einem Stich ins Gesicht auf ewig zum
Verstummen. Unsterblichkeit ist für die Götter allein! Vielleicht waren es die letzten Nachwirkungen des Rituals, das er vor dem Kampf
gegen Lisanne gewirkt hatte, vielleicht auch einfach die Erlösung, die der
Kampf von den ständigen Grübeleien über den Verlust Ajinas brachte. Lange hatte
Helion keine so starke Emotion mehr gespürt. Es fühlte sich gut an, und er sah
keine Gefahr darin, es zuzulassen, da keine Osadroi in der Nähe waren.
Triumphierend reckte er seinen Schwertarm in die Höhe.
    Das war ein Fehler.
    Ein Pfeil fand die Lücke in der Panzerung unterhalb der Achsel. Wie
glutflüssiges Eisen drang er tief in die Brust.
    Helion wollte schreien, aber er brachte keinen Ton heraus. Die Bäume
drehten sich. Der Dampf deckte ihn zu. Er spürte nichts außer dem Feuer in
seiner Brust, als er auf den Boden schlug.

    Der Tod hatte viele Leben gefordert. Nun rief er auch nach
Helion.
    Er trieb im Nichts. Er fühlte sich fallen, aber langsam wie eine
Feder. Er war sich jedes Fingers, jedes Glieds, jeder Faser seines Körpers so
bewusst wie nie zuvor. Am ehesten war es vergleichbar mit einigen seltenen
Erfahrungen, die er beim Kämpfen gemacht hatte. Man erlangte sie stets nur,
wenn man bis zur völligen Erschöpfung ging. Dann konnte man das Denken
überwinden und eins mit seiner Waffe werden. Man akzeptierte, dass man die
Kontrolle über seine Bewegungen aufgab und stellte fest, dass man sie dennoch
präzise ausführte, dass man in der Lage war, alles, was die Umwelt bot, aufzunehmen,
als sei man selbst ein leeres Gefäß. Man verhielt sich der Harmonie der Dinge
entsprechend, brach sie nur, um den Rhythmus des Gegners zu zerstören.
    Aber er kämpfte nicht, er war noch nicht einmal in seinem Körper.
Obwohl er noch immer den Pfeil in seiner Brust brennen fühlte, gab es hier kein
Fleisch, keine Knochen. All das war an einem anderen Ort. Er fiel weiter durch
das Nichts.
    Helion erschrak vor der Erkenntnis, dass er nicht allein war. Da war
etwas, das ihn ohne übermäßiges Interesse beobachtete. Es hatte die Geduld der
Unendlichkeit, war vor den Unsterblichen gewesen und würde nach ihnen sein. Es
war die eine letzte Wahrheit. In seiner Erhabenheit mischte es sich nicht in
die Streitigkeiten der Lebenden. Sie waren gleichgültig wie einzelne Wellen auf
dem Ozean, die sich eine Weile behaupten mochten, um dann doch im Meer
aufzugehen oder an einem Strand von unzählbar vielen Sandkörnern ausliefen,
ohne eine Spur zu hinterlassen. Es war die Negierung aller Existenz, das
Erlöschen allen Lichts und die Dämmerung aller Finsternis. Es war der Tod
selbst.
    Das, was Helion hier war, wand sich. Der Urinstinkt aller Kreaturen
verlangte von ihm zu fliehen, so weit und so schnell er konnte. Auch wenn ihm
das den Schmerz wieder bewusster machte, den ein Pfeil in einer anderen
Wirklichkeit in seine Brust brannte.
    Aber dieser Schmerz endete. Als sei er ein Gewicht, fiel er von ihm
ab, stürzte in die Richtung, die Helion wegen des Gefühls des Fallens für
›unten‹ hielt. Sein eigener Fall wurde kaum merklich langsamer.
    Ich falle nicht. Ich sinke. Als ertränke ich und
würde von meiner Rüstung auf den Grund

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