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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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vorbeigekommen war. Vielleicht
hatte er sie nur überrascht und sie würden gleich kommen, um ihn zu entfernen
und die Ruhe wiederherzustellen.
    Vorerst aber stampfte der Mann weiter in den Saal.
»Ordensmarschall!«, rief er. »Auf ein Wort! Sofort!«
    Verwundert sah sich Helion um. Insgesamt knieten nun fünf Gerüstete
in der Dunkelheit und, tatsächlich, dort war auch Giswon, das Oberhaupt des
Ordens. Er wirkte beleidigend deplatziert mit dem feinen Stoff, den er anstelle
eines Panzers trug. Die weiße Halskrause und die Handschuhe leuchteten, als
wollten sie diejenigen verhöhnen, die hier die Kontemplation suchten. Aber
selbst die entschlossenen Wachen hatten ihrem Ordensmarschall wohl nicht den
Zugang verweigern können.
    Urteile nicht zu schnell, rief sich Helion
ins Gedächtnis. Seine Kleidung ist die eines Gecken, aber er
kniet wie wir, er respektiert das Schweigen und seine Haltung ist von Würde
gezeichnet, wenn sein Schwert auch in der Scheide steckt.
    Giswon stand auf und wandte sich dem Neuankömmling zu. »Keratron.
Warum störst du diese Nacht?«
    »Ich fordere diese Paladine für mich! Sofort!«
    »Mit welchem Recht?«
    »Es ist ungeheuerlich, darum habe ich mich selbst davon überzeugt.
Das hätte ich nicht tun dürfen, ich hätte mich sogleich mit Euch beraten
sollen, aber Ihr wart in der Zeremonie gebunden und zudem wollte ich es nicht
glauben. Gerrior trifft sich mit dem Feind! Jetzt! Zu dieser Stunde!«
    »Gerrior ist ein Mondschwert! Bedenkt das Gewicht Eurer Worte!«
    »Das tue ich wohl. Ich sah den Schattenherrn mit eigenen Augen, aber
allein vermag ich ihn nicht zu überwinden. Ich brauche diese Gerüsteten!«
    »Denkt daran, dass Ihr für eine andere Mission ausgewählt wurdet.«
    Ungeduldig wischte Keratrons gepanzerter Arm durch die Luft. »Ihr
kennt meine Ehrenschuld. Gerrior und ich sind verbunden durch die
Schlachtreihe, in der wir Seite an Seite ritten.«
    »Gerrior …«
    »Wir alle wissen, wie weit die Fäulnis ins Mark des Ordens gedrungen
ist. Auch das ist ein Grund, warum ich diese Paladine für mich fordere. Bei
ihnen können wir sicher sein, dass sie der Versuchung noch nicht erlegen sind.
Und niemand wird sie vermissen, wenn wir gehen.«
    »Ihr habt recht.« Giswons Murmeln klang erschüttert, trotz der
zustimmenden Worte. »Die meisten anderen würden sich erst panzern müssen. Viele
haben inzwischen dem Wein zugesprochen. Und wenn wir sie aus der Gesellschaft
holen, in der sie sich befinden mögen, wird es auffallen …«
    »Herr, die Zeit drängt! Die Dämmerung ist nicht mehr fern! Bei Tage
wird sich der Verderbte nicht mehr in Akene aufhalten wollen.«
    »Nein. Sicher nicht.«
    Niemandem war das laut geführte Gespräch verborgen geblieben. Die
Paladine regten sich, zwei von ihnen standen bereits auf.
    Giswons Gestalt straffte sich. »Silberträger! Ich fordere Eure
Schwerter für eine Sache des Ordens! Folgt Keratron!«
    Sie verließen die Ritterhalle durch einen kleinen Zugang im hinteren
Teil des Gebäudes, unbemerkt von der Masse, die noch immer auf dem Tempelplatz
feierte.

    Keratron führte sie durch verwinkelte Gassen, in die das
Mondlicht nicht vordrang. Sie bewegten sich schnell. Das Klappern ihrer
Rüstungen machte es schwer, die Worte ihres Anführers zu verstehen. »Er fühlt
sich so sicher, dass er sogar in einer schwarzen Kutsche vorgefahren ist!«
Keratron schnaubte. »Als er ausstieg, hatte er den Kragen hochgeschlagen und
den Hut ins Gesicht gezogen, um die tote Blässe zu verbergen. Aber ich habe ihn
gesehen, als er zuvor aus dem Fenster lugte. Und die Dame, die ihm folgte, ging
wie eine Schlafwandlerin. Er muss sie seinem Willen unterworfen haben. Allzu
leicht glauben die jungen Frauen, ihre Schönheit schütze sie vor allem und sie
bräuchten kein Silber zu tragen. Das haben sie jetzt davon. Würde mich nicht
wundern, wenn es sich um Baroness Agara handelt. Gerrior hat vergeblich um sie
gefreit. Ich will gar nicht wissen, welchen Preis er zahlt, damit dieses
Ungeheuer sie ihm zuführt!«
    Helion fand die Vorstellung übertrieben, man könnte einen Bund mit
einem Schattenherrn eingehen, um eine Nacht mit einer schönen Frau zu gewinnen.
Das wäre so, als legte man eine Vollrüstung an, um eine Wespe zu erschlagen.
Zwar konnte Sehnsucht den Verstand rauben, aber wenn Gerrior ein Mondschwert
war, vermochte er seinen Geist zu disziplinieren.
    Oder etwa nicht?
    Ich weiß zu wenig über den Zustand des Ordens.
Vielleicht ist es möglich, ein Mondschwert

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