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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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zu werden, ohne das eigene Denken in
der Gewalt zu haben.
    Sie begegneten nur wenigen Menschen, die meisten davon so betrunken,
dass sie die Paladine kaum bemerkten. Im Schatten eines Hauses bedeutete
Keratron ihnen, innezuhalten. »Gerriors Heim liegt hinter dieser Ecke. Wir
müssen schnell handeln.« Er nahm einen Beutel von der Schulter und drückte
jedem ein mit einem Lederband umwundenes Tongefäß von der Größe eines Apfels in
die Hand. »Diese Waffe habt Ihr noch nicht gesehen. Sie ist unscheinbar und
doch wirkungsvoll. Schleudert sie auf den Feind, wenn Ihr ihn mit Euren Klingen
nicht erreichen könnt.«
    »Und das soll einen Schattenherrn töten?«, zweifelte ein Kamerad.
    »Nein, aber es wird ihn schwächen.«
    »Warum wurden wir nicht an dieser Waffe ausgebildet?«
    Keratron fasste den Arm des Fragenden, ein eiserner Griff um einen
Panzer aus Stahl. »Wir haben nicht die Zeit für Erklärungen. Vertraut mir,
Silberträger! Und achtet darauf, dass diese Gefäße nicht vorzeitig zerbrechen.
Wollt Ihr sie einsetzen, lasst sie am Riemen kreisen und dann schleudert sie.«
    Alle nickten, als Keratron ihnen fest in die Augen sah. Bei Helion
verharrte er kurz, wohl, weil er ihn nicht kannte. Dann nickte er entschlossen.
»Vielleicht werden nicht alle von uns die Sonne aufgehen sehen. Die Osadroi
sind stark.«
    »Und wir leben, um ihnen ein Ende zu bereiten«, entgegnete Helion.
    Die Zeit für Worte war vorbei. Sie zogen die Schwerter aus den
Scheiden und küssten ihre Rubine. Keratron lief ihnen voraus.
    Gerriors Haus war ein kleiner Palast. Die reich verzierte Front
kündete von der Kunst der Steinschnitzer Akenes. Ranken kletterten zwischen den
Fenstern drei Stockwerke empor, bis sie das mit sorgfältig gelegten Ziegeln
gedeckte Dach erreichten. Wasserspeier sorgten dafür, dass der ablaufende Regen
von den Wänden ferngehalten wurde. Kleine Balkone ermöglichten, zu sehen und
gesehen zu werden. Gerrior musste ein reicher Mann sein.
    Unter den ausladenden Zweigen eines in vollem Laub stehenden Baums
rannten sie auf die Tür zu. Statt die Geschwindigkeit zu verringern, sprang
Keratron mit weiten Sätzen die Stufen hinauf. Mit eisernem Stiefel trat er das
Hindernis ein. Die Kameraden blieben ihm auf den Fersen.
    »Wo sind dein Meister und sein verderbter Gast?«, hörte Helion
Keratron rufen. Das Wimmern eines Dieners antwortete ihm, gefolgt von einem
Stöhnen, als der Schild des Ritters sich den Weg erzwang. »Wir teilen uns auf!
Er darf uns nicht entkommen! Clesso, Phestos, Origonn – in den Keller! Die
anderen mit mir nach oben!«
    Das Haus nahm keine große Fläche ein. Jedes Stockwerk bestand nur
aus einer Handvoll Zimmer. Die Paladine stießen Türen auf und rissen Vorhänge
von ihrem Gestänge, dann stürmten sie weiter. Hier musste tatsächlich
Unheiliges vorgehen, denn Helion bemerkte, dass sich das Mondsilber von Waffen
und Rüstungen gelb färbte und schnell dunkler wurde, bis es rot gloste.
    Erst unter dem Dach wurden sie fündig. Der Lärm hätte den Feind
eigentlich warnen müssen, aber das war nicht der Fall. Zu sehr waren die drei
in ihrem Tun gefangen.
    Der Osadro war bleich, wie es seiner Art entsprach. Sein Gesicht war
so unbewegt, dass es aus Knochen hätte geschnitzt sein können. Er stand im
Schatten, wo ihn Stygrons Licht nicht erreichte, hielt die Augen starr wie die
einer Schlange auf das Paar vor ihm gerichtet und streckte ihm auch die Arme
entgegen. Die Hände waren dünn und feingliedrig, die Krallen beinahe ebenso
lang wie die Finger. Ein feinstofflicher Strom floss ihm zu, wie ein dunkler
Schaum, in dem es vereinzelt silbrig glitzerte, gleich Funken, die in der Kälte
der Nacht verloschen.
    Am Ausgangspunkt der wandernden Wolke war das Glitzern intensiver.
Sie entströmte der nackten Haut einer Frau, die inmitten eines Kreises aus sich
windenden zauberischen Zeichen einen Mann der Ekstase entgegenritt. Dieser Mann
mochte Gerrior sein. Er hatte den kräftigen Körper eines Ritters. Bei der Frau
konnte es sich jedoch unmöglich um die Baroness handeln, von der Keratron
gesprochen hatte. Sie war eine Greisin. Helion glaubte nicht, jemals einen
älteren Menschen gesehen zu haben. Ihre Brüste hingen herab wie geleerte
Weinschläuche, die Haut war faltig wie bei einer Trockenpflaume, das Haar grau
und schütter. Trotz ihrer energischen Bewegungen wirkte sie so gebrechlich,
dass sich Helion kaum vorstellen konnte, dass sie die Treppen aus eigener Kraft
gestiegen war. Auf dem Boden neben

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