Feind
dass
dies ein Moment war, in dem Aufregung heilsam sein konnte. »Ihr kennt den Namen
meines verstorbenen Meisters? Treaton?«
»Ich hörte, er war ein Einsiedler.«
»Ja!«, rief Helion bitter. »Euer Vater hat ihn dazu gemacht! Er hat
ihn gedemütigt! Wie oft habe ich ihn im Schlaf von jener Nacht murmeln hören,
in der er versuchte, Eure Schwester zu retten. Und Eure Mutter! Auch sie ist
damals gestorben.«
»Ja, das ist sie.«
»Meister Treaton konnte sich sein Versagen nicht verzeihen. Es hat
an ihm gefressen wie ein Dämon, sich von seinem Herzen genährt. Noch auf dem
Totenbett.«
»Ihr glaubt, mein Vater habe ihn umgebracht?«
Helion dachte darüber nach. Er brauchte eine Weile, um die Wahrheit
in ihren Worten zu erkennen. »Ja. Treaton war eines der edelsten Mondschwerter.
Nach der Begegnung mit Eurem Vater ging er dem Orden verloren. Und der Gram
hielt ihn gefangen für den Rest seines Lebens.«
Sie nickte langsam. Dann legte sie die flache Hand an sein Gesicht, hastig,
als fürchte sie, er würde sich ihr entziehen. »Aber er wurde Euer Lehrer. Die
Wege der Götter sind für uns undurchschaubar. Vielleicht haben sie es so
gefügt. Wäre er bei den Mondschwertern geblieben, er wäre vielleicht im Kampf
gestorben, bevor Ihr ihm begegnet wäret. Oder er wäre Herr einer Burg geworden,
weit entfernt, unerreichbar. Auch dann würdet Ihr jetzt nicht hier stehen. Was
uns falsch, manchmal gar unerträglich scheint, kann sich in der Rückschau als
Segen erweisen.«
»Ist das die Predigt, die man im Tempel der Mondmutter den Adeptae
der ersten Stunde hält?«
Sie ließ sich nicht beirren. »Mein Vater hat schreckliche Dinge
getan, ja. Auch ich wandte mich von ihm ab, aber das ist eine Sache allein
zwischen ihm und mir. Ich habe ihm verziehen, und das war nicht leicht. Es hat
mich viel gekostet, und darum ist mir dieser Friede wertvoll. Ihm ist er es
auch. Er bereut und …«
Helion lachte auf.
Ajina wartete, bis sie seiner Aufmerksamkeit sicher war. Dann setzte
sie setzte neu an. »Er mag nicht auf die Weise geläutert sein, die Ihr Euch
wünscht oder sogar erwartet. Er ist kein Mann, der alles wegwirft, was er
erreicht hat. Auch er hat einen hohen Preis gezahlt, um zu werden, wer er ist.
Niemand bestreitet, dass es keinen lebenden Magier von größerer Macht gibt. Und
er ist bereit, sein Leben für eine Sache niederzulegen, an die er nur bedingt
glaubt. Aus Liebe zu mir und zu einem Teil auch als Buße für seine Taten. Sein
Weg war ein finsterer, ein grausamer. Jeder kann das sehen, und wenn Ihr über
ihn wüsstet, was ich weiß, würdet Ihr meinen Vater noch mehr hassen. Aber wenn
er all dies nicht getan hätte, dann hätte er nicht die Macht, eine
Schattenherzogin zu töten. Sagt man nicht bei Euch Paladinen, dass man kein
Schwert in die Brust eines Feindes stoßen kann, ohne die Klinge mit Blut zu
beflecken?«
»In diesem Krieg gibt es keine unschuldigen Kämpfer«, zitierte
Helion, was Ordensmarschall Giswon ihm mit auf den Weg gegeben hatte. »Keine,
die noch leben.«
»Also, Paladin, wollt Ihr siegen? Oder wollt Ihr Eure Unschuld
bewahren?«
Schnaubend schüttelte Helion den Kopf. »Mir scheint, man kann sich
auf Modranel nicht verlassen. Er verspottet mich bei jeder Gelegenheit.«
»Er konnte sich noch nie unterordnen. Und einem Fremden würde er
nicht sagen, was er mir anvertraut. Seine harschen Worte sind eine Rüstung.«
»Wie könnt Ihr sicher sein, dass er nicht wanken wird, wenn Lisanne
ihm gegenübersteht?«
»Ich werde ihn begleiten und stärken.«
»Nein!«, rief Helion.
»Oh doch, Paladin, das werde ich. Es muss sein. Ich werde meinen
Vater nie wieder allein lassen.«
»Er wird seine ganze Lebenskraft für den Zauber brauchen.«
»Ich weiß, dass er dabei sterben wird. Noch ein Grund mehr, ihn zu
begleiten. Es ist sein letzter Weg. Die Erfüllung seines Lebens.« Ihre Stimme
war jetzt sanft wie Mondlicht.
»Er wird Euch nicht mehr schützen können.«
»Lisanne wird vergangen sein. Und vor allem anderen werdet Ihr mich
schützen.«
Seufzend gab er sich geschlagen. »Ich kann nur hoffen, dass Ihr
recht habt.«
Sie lächelte. »Findet Ihr, ich sähe meinem Vater zum Verwechseln
ähnlich?«
»Nein!« Der Vergleich der bildschönen blonden Frau mit dem faltigen
Greis war absurd. »Wie kommt Ihr darauf?«
»Ich fragte, was uns trennt.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen,
um ihn sanft auf die Lippen zu küssen. »Und du sprichst immer nur von meinem
Vater.«
Er hielt
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