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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Präsenz
ließ alles um sie herum zur Nichtigkeit werden.
    »Was bringst du mir?« Diese Stimme! Diese Verheißung der
Zufriedenheit, wenn es nur gelang, den Wünschen der Schattenherzogin gerecht zu
werden! Als würde dann alles Begehren verlöschen, als würden alle Gefühle
versiegen.
    Auf dem Gang warteten die Krieger darauf, dass sie dreimal laut in
die Hände klatschte, woraufhin sie effektvoll die Tür öffnen sollten. Jetzt
erstickte Lióla beinahe an der Vorstellung, eine solch blasphemisch banale
Handlung in Gegenwart der Schattenherzogin durchzuführen. Sie wäre nicht besser
als eine zerlumpte Schmierenkomödiantin, die sich einbildete, am Hof eines
Königs das Drama eines großen Dichters aufführen zu können. Bestenfalls würde
sie verlacht. Nicht auszuschließen, dass Lisanne ihrer kümmerlichen Existenz
nach einem solchen Auftritt ein Ende bereiten würde. Aber Lióla bekam auch kein
Wort heraus, um die gestellte Frage zu beantworten.
    Es kostete Überwindung, die Füße vom Boden zu lösen. Als das einmal
geschafft war, rannte sie zu der Tür, als sei sie auf der Flucht, und stieß sie
selbst auf. Für einen Moment schockierte sie die Vorstellung, sie sei zu
schwach, die schweren Holzflügel allein zu bewegen. Sie stemmte sich mit vollem
Gewicht dagegen. Es war eine Erlösung, als sie sich in Bewegung setzten.
    Augenblicklich fielen die Krieger auf die Knie. Natürlich nicht vor
Lióla, sondern vor dem Charisma der Schattenherzogin. Nur Brünetta blieb
stehen. Ghoulen musste Sensibilität mit Peitschenhieben anerzogen werden.
Selbst dann fiel es ihnen schwer, gesellschaftliche Situationen korrekt
einzuschätzen. Es gab Tiere, die intelligenter waren.
    Sengend heiß zwang sich Lisannes Frage zurück in Liólas Bewusstsein.
Herrisch winkte sie Brünetta und hoffte, dass sie nicht so blöd war, dass sie
ihre einfache Anweisung vergessen hätte.
    Sie hatte Glück. Wie sie es geübt hatten, nahm Brünetta die Henkel
der ersten Truhe in ihre Pranken und hob sie an, als hätte sie kein Gewicht.
Mit tapsigen, aber zielstrebigen Schritten trug sie sie in den Saal. Ihre Füße
waren nackt, sie waren so groß, dass menschliche Schuhe ihr nicht gepasst
hätten. Gespannt beobachtete Lióla, wie der Ghoul die wertvolle Fracht vor den
drei Osadroi abstellte.
    War da die Andeutung eines Lächelns auf Lisannes Lippen? Welch
verwegene Hoffnung, ihr Freude bereiten zu können! Vielleicht gar so sehr, dass
sich die Unsterbliche an Lióla erinnern würde …
    Sie schüttelte den Wachtraum ab und eilte zu der Kiste. Rüde stieß
sie Brünetta zurück und bedeutete ihr, die nächste Truhe zu holen. Dann wandte
sie sich um, kniete sich hin und zog die Schlüsselkette über ihren Kopf.
Demütig hielt sie sie Lisanne entgegen.
    Zu ihrer Enttäuschung war es einer der anderen Osadroi, der sie ihr
abnahm und das Schloss öffnete. Mühelos, mit einer Hand, klappte er die Truhe
auf. Ein befriedigtes Lächeln verzog sein weißes Gesicht. Lisanne bewegte noch
nicht einmal den Kopf. Nur mit einem Blinzeln der Augen begutachtete sie die
Kristalle, die die in Karat-Dor gesammelte Lebenskraft enthielten. Nun kam
Lióla die Gabe schäbig vor. Wie konnte sie die Schattenherzogin mit einer
solchen Nichtigkeit belästigen?
    Polternd stellte Brünetta die zweite Kiste ab. Lisanne winkte ihrem
Gefolgsmann, auch diese zu öffnen. War sie also doch interessiert? Jetzt erst
bemerkte Lióla, wie ihr Herz raste. Sie schämte sich dafür. Die Sinne eines
Osadro waren feiner als die der Menschen. Sie konnten das Pochen unmöglich
überhören und würden sich vielleicht gestört fühlen, hatten sie ihre eigenen
Herzen doch dem SCHATTENKÖNIG dargebracht.
    Lisannes perfekte Hand griff in die zweite Truhe, nahm einige
Kristalle heraus und ließ sie zurückrieseln.
    Liólas Lungen schmerzten. Sie zwang sich, zu atmen.
    Mit spitzen Fingern nahm Lisanne einen Kristall und hielt ihn gegen
das Licht einer Kerze. Die eingeschlossene Lebenskraft glitzerte quecksilbern.
Er war gut gefüllt, kaum noch durchsichtig. Darauf hatte Lióla geachtet, sie
hatte sich nicht mit minderwertigen Stücken zufriedengegeben. Die Haut von zwei
Seelenbrechern hatte ihnen zum Abschied einen Gruß vom Tor der Kathedrale
hinterhergeflattert, anderen Pfuschern zur Warnung.
    »Schön«, sagte Lisanne.
    Nur dieses eine Wort, vorgetragen mit einer Stimme, wie sie einer
Göttin geraubt sein mochte, reichte aus, Liólas Mut in ungeahnte Höhen zu
heben. Ihre Gabe war willkommen! Ihre

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