Feind
gut war. Es gab so viele Bilder, die
Modranel darstellten, meist aus der Zeit vor seiner Läuterung.
»Es ist nicht so, wie du denkst!«, rief Helion und hoffte, dass er
damit recht hatte. Modranels Verhalten gegenüber Deria gab Grund zu der
Hoffnung, dass Ajina seine Gesinnung richtig einschätzte, aber wann immer
Helion direkt mit ihm sprach, fühlte er sich versucht, ihn in Silberfesseln
schlagen zu lassen. Er rannte noch schneller.
Pepps Kondition war der seinen nicht gewachsen. Treaton hatte ihn
über viele Jahre geschliffen, und er trug keine Rüstung, die ihn behindert
hätte. Pepp wandte sich bei jeder Gelegenheit nach unten. Erst hatte er eine volle
Treppe Vorsprung, dann eine halbe, schließlich noch fünf Stufen. Helion erwog,
zu springen und ihn so zu packen, aber das wäre ein unnötiges Risiko gewesen.
»Du kannst mir nicht entkommen!«, rief er. Sein Atem brannte
mittlerweile in den Lungen.
Aber Pepp gab nicht auf. Neben einem Raum, aus dem der Lärm
ausgelassener Zecher drang, rannte er in einen Gang, der an seinem Beginn
gerade mannshoch war und beständig niedriger wurde, bis er vor einer Luke
endete. Das mochte ein Schlupf sein, durch den Späher die Festung verließen und
wieder betraten. Gerade als er versuchte, ihn zu öffnen, riss Helion ihn am
Kragen seiner Lederrüstung zurück und schleifte den zappelnden Knaben aus dem
Gang.
»Ich brauche das Gold!«, rief Pepp.
»Was für Gold?« Helion zog ihn auf die Füße und drückte ihn an die
Wand. Obwohl er nur eine Hand frei hatte, bereitete ihm sein sich windender
Gefangener keine Probleme.
Pepp gab keine Antwort, wurde aber ruhiger, als er das Schwert von
Nahem sah. Er presste die Zähne aufeinander. Seine Nase blähte sich unter den
heftigen Atemzügen, die der anstrengende Lauf von ihm forderte.
»Was für Gold?«, fragte Helion nochmals.
Pepp schwieg beharrlich.
»Was hast du gesehen?«
»Genug«, stieß Pepp hervor.
Vergeblich versuchte Helion sein Gesicht zu deuten. Pepp hatte nie
lesen gelernt, aber er war nicht dumm. Wenn er anfangs einen Verdacht gehegt
hatte, dann bestätigte Helions Verfolgung ihn darin. »Es gibt Geheimnisse, die
niemand erfahren darf«, raunte Helion.
Pepp brachte ein Grinsen zustande. »Und was ist Euch mein Schweigen
wert?«
»Das ist es? Du willst dein Wissen zu klingender Münze machen?«
Er fasste neuen Mut und zuckte mit den Schultern.
»Du hattest doch nicht vor, zum Feind zu laufen und ihm zu verraten,
was du zu wissen glaubst?«, fragte Helion scharf.
»Was ich wollte, ist jetzt ohne Belang. Lasst mich frei, oder bald
wird jeder wissen, dass Modranel unter uns ist.«
Helion runzelte die Stirn.
»Warum ist er wohl hier? Stimmt es, dass er seinen alten Meistern
abgeschworen hat? Es würde sicher die Zuversicht vieler in Guardaja heben, wenn
sie wüssten …«
»Gar nichts dürfen sie wissen!«, fuhr Helion ihm über den Mund. Drei Menschen können ein Geheimnis bewahren, erinnerte er
sich an einen Lehrsatz Treatons, sofern mindestens zwei von
ihnen tot sind.
Er bemerkte erst, dass der Lärm aus dem Raum neben dem niedrigen
Gang verstummt war, als sich eine Gruppe Krieger näherte. Aus den Augenwinkeln
sah er ihren schwankenden Gang. Den Wein roch er auf drei Schritt Entfernung.
Und Estrogs dröhnenden Bass erkannte er sofort. »Lasst den Kleinen los, er hat
sich wacker geschlagen mit uns da draußen!«
Die Andeutung eines Lachens schwang in diesen Worten mit, aber
Helion war nicht nach Heiterkeit zumute.
»Gebt mich frei, Herr Paladin«, zischte Pepp ihm zu, »oder die Kunde
wird von Mund zu Mund fliegen wie ein Schwarm Spatzen, den niemand einzufangen
vermag.«
Helion hatte den Jungen lieb gewonnen. Als Fechter war er kein
großes Talent, aber er drückte sich vor nichts und hatte Mut, wenn es darauf
ankam. Oft hatte er von der Armut erzählt, die ihn verleitet hatte, den
Waffensold anzunehmen. Die Gefahr eines Schwerts im Bauch war leichter zu
ertragen als die Gewissheit, dass der Magen für den Rest des Lebens nicht
richtig voll würde. Marschverpflegung, die Helion nur ungern einem Hund
vorgeworfen hätte, war für Pepp ein Mahl, für das er den Göttern mit tiefem
Ernst dankte. Helion sah ihm in die Augen und erkannte die Sehnsucht nach einem
besseren Leben darin. Einem Leben, das eine Truhe Gold ihm kaufen konnte.
Solcher Reichtum und die Möglichkeit, Guardaja Richtung Süden zu verlassen, auf
den eigenen Beinen oder sogar auf einem sauber gezäumten Ross, konnten bis vor
einer
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