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Feind

Feind

Titel: Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Ordensmarschall Giswon«, beeilte sich Helion zu
sagen. Es galt, sinnlosen Streit zu vermeiden. »Er schickt uns. Ich habe meine
Befehle direkt von ihm.«
    Das gab Kentateos genug zu denken, damit Estrog sprechen konnte.
»Wie nah müsst Ihr an sie herankommen?«
    »Ich muss ihr in die Augen sehen.«
    »Sie ist nah, das stimmt, aber das heißt nicht, dass sie leicht zu
erreichen wäre. Unsere Späher kamen nicht durch. Wenn Modranel keinen Zauber
weben kann, der Euch verbirgt, werdet Ihr Euer Ziel kaum erreichen.«
    Mit einem undeutbaren Lächeln schüttelte der Magier den Kopf. »Ich
kann meine Kraft nicht auf solcherlei Nichtigkeiten verschwenden. Außerdem
vermag ich zwar das Auge des Einfältigen zu foppen, aber Lisanne würde
zweifellos die Veränderung in den Strömen der Magie bemerken. Vor ihr kann uns
kein Zauber verhüllen.«
    »Wie habt Ihr es Euch dann gedacht?«, fragte zum ersten Mal Prinz
Varrior.
    Helion schloss kurz die Augen und rezitierte in Gedanken den Vers
der Sammlung. »Wir brauchen eine Ablenkung. Eine, die so groß ist, dass sie
Lisannes Aufmerksamkeit erregt und Zugleich ihren Verbleib an der Front
erfordert.«
    »Was habt Ihr im Sinn?«
    Modranel kam Helion zuvor. Zu groß war seine Vorfreude darauf, sich
am unvermeidlichen Unbehagen der Feldherren zu weiden. Ȇber wie viele Helme
befehlt Ihr?«
    »Etwa achttausend nach der letzten Zählung.«
    »Das sollte reichen.«
    Niemand sagte etwas.
    Als das Schweigen unangenehm wurde, sprach Helion aus, was alle
erkannt hatten. »Wir brauchen einen Ausfall. Einen Frontalangriff auf die
feindliche Stellung.«
    »Wir sollen Guardaja entblößen«, sagte Gonnar mit großer Ruhe, als
erteile er einem Diener den Befehl, sein Kissen aufzuschütteln.
    »Wir werden uns vorher in eine günstige Position begeben. Estrog
wird uns führen, wie ich hoffe. Euer Opfer wird nicht vergebens sein. Gut
möglich, dass es Milir rettet.«
    »Und die Silberminen«, sagte Dimmoar kalt.
    »Und die Silberminen«, bestätigte Helion. »Niemand hat jemals davon
gehört, dass eine Schattenherzogin vernichtet worden wäre. Wenn Lisanne fällt,
zerschmettern wir damit die Moral ihres Heeres. Und stärken die der Menschen in
der gesamten freien Welt. Es wäre der Beweis, dass die Schattenherren besiegbar
sind.«
    Prinz Varrior nickte bedächtig. »Mir scheint, wir tun gut daran,
Euren Vorschlag gründlich zu erwägen.«
    Doch dafür sollten sie keine Zeit mehr haben.

    Die Augen des Fayé hatten weder Pupillen noch eine Iris. Ein
Blick in die nebelartigen blauen Schlieren genügte, um die Nähe dieses Wesens
zur Welt der Geister zu offenbaren. Die Fayé waren älter als die Menschen, und
sie starben nicht wie die Menschen. Lióla hatte keine Möglichkeit, die Jahre
des Mannes vor ihr zu schätzen, sie war noch nicht einmal sicher, dass er ein
Mann war. Nicht nur seine lidlosen Augen waren fremdartig, die gesamte Kopfform
wirkte wie ein Spiegelbild auf einer von Wellen durchzogenen Wasseroberfläche.
Die Wangenknochen lagen sehr hoch, was dem Schädel in Verbindung mit den großen
Ohren, deren Muscheln sich beinahe am Hinterkopf berührten, eine Keilform gab. Das
Kinn war schmal, der Mund ebenso, die Nase klein, die Stirn dafür breit. Das
Menschlichste an ihm war das schwarze Haar, das im Sternenlicht schimmerte. Es
fiel auf eine breite Brust, die in merkwürdigem Gegensatz zu den dünnen Armen
stand. Die Kleidung des Fayé kam weder aus einer Gerberei noch von einem
Webstuhl. Sie war gewachsen. Deutlich waren die Zweige zu erkennen, die
unheiliger Zauber in solche Bahnen gezwungen hatten, dass sie gemeinsam mit
ihrem blauen Laub den Körper bedeckten. Dabei legten sie sich offenbar eng um
den Leib, denn mit jedem Atemzug des Mannes hoben und senkten sie sich. Hätte
Lióla nicht unmittelbar vor ihm gestanden, sie hätte die Kleidung für eine
fremdartige Haut halten können.
    »Sein Name ist Limoras«, sagte ein Mann in schwarzer Robe, der
plötzlich neben ihr stand. Die Runen auf seiner Stola wiesen ihn als
Nachtsucher aus, also verbeugte Lióla sich tief. »Ich werde mich selbst um ihn
kümmern.«
    Mit anderen Worten: Ich soll verschwinden.
    Lióla konnte nicht widerstehen, den Pfahl, an den der Fayé gebunden
war, zu umrunden. Jeder seiner Arme hatte zwei Gelenke, die gefesselten Hände
sechs Finger. Der zweite Daumen machte den Griff eines Fayé unfehlbar, sagte
man, so wie die Nebelaugen die Schatten der Wälder durchdrangen und das Geschick
dieses Volkes einen Pfeil so

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