Feindberührung - Kriminalroman
auf die Tischplatte. Sie gaben sich große Mühe, Desinteresse zu demonstrieren.
Grewe nahm seine Uhr ab, was Burckhardt ein kurzes Lächeln entlockte. Die LKA-Jungs würden Sitzfleisch brauchen.
» Wir haben es hier mit einer ziemlich verwickelten Sache zu tun, in der mehrere Fälle und Interessenlagen ineinander wirken. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir alle gemeinsam eine Linie finden, die jedem Beteiligten hilft.«
Bandel, ein Mann Mitte fünfzig, der jederzeit einen dicken, rassistischen Südstaatensheriff darstellen könnte, schaute auf seinen schweren Siegelring und schob sich mit dem Mittelfinger die Porsche-Brille auf die Nasenwurzel. Während er redete, stopfte er sich Lakritzkatzen aus der vor ihm liegenden Tüte in den Mund.
» Ich rede ja gern mit Kollegen, von mir aus die ganze verdammte Nacht, weil das Hotel, das meine Dienststelle mir gebucht hat, eine Scheißabsteige ist, aber«, und damit stieg sein wurstiger Zeigefinger warnend in die Höhe, » ich würde es deutlich vorziehen, Ermittlungstaktiken ohne Rechtsanwälte von Beschuldigten zu erörtern.«
Leptien lächelte zart und schwieg.
» Nun, Kollege Bandel, Beschuldigter ist Herr Schönlein bisher lediglich wegen versuchter Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung. Die Ermittlung wird von Kollegen meiner Dienststelle bezettwee der Staatsanwaltschaft bearbeitet. Herr Schönlein ist in vollem Umfang geständig.« Grewe schaute starr auf die Tischplatte und sprach leise und monoton. » Allerdings ist Herr Schönlein auch möglicher Zeuge in einer Reihe von schweren Verbrechen – bis hin zu Mord – aus dem Bereich der organisierten Kriminalität, die mein Kommissariat, meinen Kollegen Burckhardt, das BKA und auch Sie interessieren.«
Bandel presste einen Mississippi-Gopher-Frosch von beträchtlicher Größe aus und griff dann mit Zeige- und Mittelfinger irgendwo hinter seine Bachkenzähne, um dort ein kleben gebliebenes Lakritz zu suchen.
Kollege Meinert streifte ihn mit einem Seitenblick und schob dann mit der Zunge seinen Kaugummi von einer Seite des Mundes auf die andere, was den wirklich prachtvollen Schnauzer, den er zu seinen Koteletten trug, eindrucksvoll in Bewegung setzte. Beim Sprechen konnte man die graue Masse zwischen seinen Füllungen tanzen sehen.
» Und da Herr Lepsiet Herrn Schönlein nur in der erwähnten Anklage verteidigt, hat er wohl offensichtlich in dieser Konferenz nichts verloren, oder?«
Meinert sah den Anwalt nicht einmal an.
» Leptien. Macht aber nichts.« Leptien lächelte unverwandt. » Und Sie irren, was mich nicht weiter wundert. Ich habe ein Mandat zur Wahrung der rechtlichen Interessen von Herrn Schönlein, und was Sie hier besprechen, berührt unmittelbar diese Interessen. Natürlich kann ich jetzt gehen, aber eher früher als später werden Sie sich mit mir auseinandersetzen müssen, wenn Sie etwas von meinem Mandanten wissen wollen.« Leptien lächelte weiter, seine sanfte Stimme hob sich nicht ein halbes Dezibel an. » Von daher halte ich es für einen guten Ansatz von Herrn Grewe, mich zu dieser Besprechung zu bitten, und da mein Mandant in der ihm vorgeworfenen Anklage, wie schon erwähnt, vollumfänglich gestanden hat, gibt es für mich ja auch nur auf dem Weg dieser Gespräche noch irgendetwas für ihn rauszuholen, wie Sie«, er schaute Meinert an, » das wohl ausdrücken würden. Meine Interessen als Verteidiger korrelieren also stark mit den Ihren als Ermittler, und das sollten wir doch vorurteilsfrei nutzen, nicht wahr?«
Meinert angelte nach der Kaffeekanne und schnaubte. Burckhardt strich sich ein zum Platzen drängendes Lachen aus dem Gesicht, nur Grewe und Bandel zeigten unbewegte Mienen.
Plötzlich löste Bandel seine wieder fest verschränkten Arme, schlug sich klatschend auf die Oberschenkel und rückte seinen Stuhl so nah an den Tisch, wie sein Bauch es zuließ. Er stützte sich schwer auf die Platte und fixierte Grewe.
» Okay, lassen wir das Aufrechter-Sheriff-gegen-böses-FBI-Spiel einfach sein und arbeiten.« Er hielt Grewe die Lakritztüte hin.
Grewe hob den Blick und sah zu Bandel.
» Sheriff ist ein gutes Stichwort. Wir reden über Straftaten, die mehrheitlich in dieser Stadt begangen wurden. Um nicht zu sagen, in meiner Stadt.«
Die beiden Männer stierten sich an. Die anderen sahen gespannt zu. Bandel knurrte.
» Aber mit unserem Zeugenschutzprogramm wedeln Sie Ihrem Rocker schon gern vor der Nase rum, oder?«
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