Feindberührung - Kriminalroman
Ja?«
Grewe betrachtete ein Foto rechts neben dem Fenster hinter Radványis Kopf an. Eine Gruppe Soldaten in einem Waldstück. In drei Reihen fürs Foto drapiert. Um sie herum lagen Ausrüstungsteile verstreut, Reste eines Lagerfeuers. Sie trugen Tarnfleck, die Gesichter geschwärzt, ob von Dreck oder Tarnschminke war auf die Entfernung nicht recht zu sehen. Was Grewe allerdings sehen konnte, war, dass der Soldat ganz rechts in der letzten Reihe, nur ein ganz bisschen abseits der Gruppe, so dass er klar als Ausbilder einzuordnen war, dass dieser Soldat Dirk Rohmann war. Das Foto dürfte mindestens zehn oder zwölf Jahre alt sein.
Radványi war Grewes Blick gefolgt.
» Ach, das ist von meinem Einzelkämpfer zwo. Schon eine Weile her.« Dabei tippte er mit der Hand lächelnd auf etwas, das er wohl für einen Bauch hielt.
» Sauwaldhof?«
Der Major zog eine Augenbraue hoch.
» Waren Sie auch da?«
Grewe schüttelte den Kopf.
» Ich war nur zum Springerlehrgang in Altenstadt. Unsere Inspektion hat aber mal eine Besichtigungsrunde dort oben drehen dürfen. Bisschen Kletterübungen, mal die Hindernisbahn machen. Wir hatten damals Pech mit dem Wind, konnten vier Tage nicht springen, da haben wir eben das Touristenprogramm gekriegt.«
» Ah. Ja, das ist immer blöd mit dem Wetter.«
» Ja.«
Therese hätte Grewe gern mit dem Ellbogen in die Seite gehauen, damit er vorwärtsmachte, aber er schaffte es auch ohne Starthilfe.
» Tja, also Herr Major, es sieht so aus, dass wir jetzt intensiv das hiesige Umfeld von Lars Rems untersuchen möchten. Wer waren seine engsten Kameraden, gab es Feindschaften?«
Radványi nickte.
» Wir haben hier natürlich starke Fluktuation im Personal. Abgänger, Lehrgänge, Versetzungen, Einsätze. Aber es gibt gerade im Unteroffizierskorps doch einige Konstanten. Die Leute kommen im Lauf ihrer Jahre auch oft wieder. Fallschirmjäger sein, ist doch etwas Besonderes.«
Weil Grewe den Faden nicht aufnahm, sondern den Offizier einfach nur anschaute, entstand eine unangenehme Pause. Therese wusste, dass das Absicht war, und verhielt sich deswegen ebenso passiv wie ihr Kollege.
Der Blick des Majors irrlichterte einen Augenblick über seinen Schreibtisch, dann kam sein Oberkörper nach vorn, und er stützte sich auf.
» Herr Grewe, was brauchen Sie denn nun von mir?«
» Nun, unser Kollege Estanza hat in dem Bericht über sein Gespräch mit Ihnen erwähnt, dass Sie in der Brigade sozusagen zwei Arten von Personalakten führen. Eine bei Ihnen und eine beim S 2 .«
» Na ja, es handelt sich nicht im eigentlichen Sinn um Personlakten. Sehen Sie, der S 2 bekommt zum Beispiel Meldungen über Straftaten von Soldaten durch Sie, die Polizei übermittelt. Er entscheidet dann, inwieweit diese Straftaten sich auf Sicherheitseinstufungen des betreffenden Soldaten auswirken. Dabei geht es dann manchmal um Dinge, die mich als Personalbearbeiter nur bedingt etwas angehen. Wir haben auch hier Datenschutz.«
Er lächelte schüchtern.
» Das bezweifelt ja niemand, Herr Major. Es ist für unsere Ermittlungen sehr wichtig, uns von den Leuten aus der näheren Umgebung des Opfers ein genaues Bild zu machen. Zum Beispiel von den Soldaten der Kompanie, mit der Rems in seinem letzten Einsatz war.«
» Das war die Drei Viereinundzwanzig.« Radványi machte nun einen Versuch, Therese ins Gespräch zu holen. » Das heißt die dritte Kompanie des Fallschirmjägerbataillons vierhunderteinundzwanzig.«
Therese lächelte betont desinteressiert.
Radványi sah wieder auf seiner Schreibtischplatte nach, ob dort irgendetwas Hilfreiches herumlag. Offenbar fand er nichts.
» Da sollten wir mit dem stellvertretenden Kommandeur sprechen.«
Grewe schaute freundlich.
» Ja, das wäre ganz in unserem Sinn, Herr Major. Und den S 2 hätten wir auch gerne dabei.«
Therese stellte den Kaffee zurück auf den Tisch, Grewe hatte das linke Bein übers rechte geschlagen und zupfte am Hosensaum. Sie hingen beide tief in Oberst Pagels Bürosofa. Ihnen gegenüber sitzend, rührte Major Radványi in seiner Tasse.
Oberst Pagels stand am Schreibtisch, den Telefonhörer zwischen Kinn und Schulter eingeklemmt, und sah entnervt aus dem Fenster.
» Das kann doch wohl nicht sein, dass der S 2 -Feldwebel keine Ahnung hat, wo sein Chef sich herumtreibt.«
Der Gescholtene ließ am anderen Ende der Leitung eine längere Erklärung vom Stapel, die den Oberst zumindest gnädiger stimmte.
» Wieland, ich weiß, wie Hauptmann Rohmann ist. Ich
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