Feindberührung - Kriminalroman
hin?«, rief Grewe dem mit seinem Teller verschwindenden Robert nach.
» Ich esse im Zimmer. Meine Stunde Computerspielen läuft gerade ab, weißte?« Grewe seufzte. Die Kinder hielten sich an die von Stina hart ausgehandelten Beschränkungen der Mediennutzung, da durfte er jetzt nicht dazwischengrätschen. Er nickte.
» O Papa, darf ich auch, bitte, bitte? Ich hör gerade Jim Knopf, und die sind in der Drachenstadt, das ist sooo spannend!« Lottas Augen waren kilometerweit aufgerissen.
» Na klar, Lotta. Ist okay.« Grewe strich ihr über den Schopf und drückte einen Kuss auf den Scheitel.
» Ich esse mit dir hier. Komm schon, Papa.« Klara hatte sich ihre Tomatenbrote schon selbst aus dem Ofen geholt und auf einen Teller drapiert, der jetzt auf dem Tisch stand. Sie schüttelte einen Joghurtdrink.
» Aber nur, wenn du sonst nichts vorhast.« Grewe schob sich auf die alte Küchenbank an der Wand. Klara schaute ihn an. Grewe schaute zurück. Er hob die Augenbrauen, Klaras Blick rutschte kurz nach unten.
» Na, dann geh. Ich liebe dich.« Grewe schickte einen Kuss durch die Luft.
» Ich dich auch, Papa. Bist der Beste.« Klara schlang ihre Arme um Grewes Hals und küsste ihn fest auf den Mund. Dann schnappte sie sich ihren Teller.
» Tja. Wie lange noch?«, murmelte Grewe, während er seiner ältesten Tochter nachsah.
Er strich Butter auf eine Scheibe Brot, belegte sie mit Schinken, biss in eine saure Gurke, griff kauend zur Bierflasche und lehnte sich vorsichtig an die Wand. Es ging gut. Er hatte sich jetzt langsam an die Kopfwunde gewöhnt und war zuversichtlich, heute wieder gut zu schlafen.
Und er hatte im Lauf des Tages die Ahnung entwickelt, dass er in der nächsten Zeit möglicherweise jede Stunde Schlaf gebrauchen konnte.
Der Mord an Rems sah nach einer Milieutat aus. Die Sektion stand noch bevor, aber Grewe hielt die Hoffnung hoch, dass ihre Ergebnisse diese Version stützen würden. Es war zwar viel mühselige Schmutzarbeit, unter Junkies und Dealern zu ermitteln, aber andererseits fand sich da früher oder später immer jemand, der quatschte. Die Dropouts waren nicht stark, sie waren keine Berufsverbrecher mit Schweigekodex. Wenn ein Gewalttäter in diesem Milieu aus dem Rausch erwachte und sich erinnerte, dann entsetzte ihn die eigene Tat in der Regel so sehr, dass er sich so bald wie möglich jemandem anvertrauen musste. Und dann konnte er es eigentlich auch gleich der Zeitung melden.
Aber Gerd Drossel, vor dessen Meinung Grewe stets den allerhöchsten Respekt verspürte, hatte schon deutlich gemacht, warum er Zweifel an der These hatte, und vor allem, dass die Sektion diese Zweifel möglicherweise auch eindrücklich würde stützen können. Dazu kamen die wirklich beunruhigenden Aussagen von Major Radványi und von einem Stabsunteroffizier aus Rems’ alter Kompanie, mit dem Radványi sie noch zusammengebracht hatte. Der junge Mann war mit Rems in Afghanistan gewesen, allerdings nicht bei der Patrouillenfahrt, in deren Verlauf Rems die Beine verloren hatte.
Im Gespräch mit ihm wurde das von Radványi gezeichnete Bild klar bestätigt. Den Navy Seal hatte Rems seinerzeit nach dem Genuss von zwei Litern Bier und vier Wodka plattgemacht, wie der junge Mann von einem wissen wollte, der dabei gewesen war. Rems gehörte damals einer Luftlandeaufklärungskompanie an, das war eine noch mal härtere Gangart des ohnehin schon nicht gerade erholsamen Jobs als Fallschirmjäger. Er war Einzelkämpfer, hatte einen Lehrgang an der Fernspähschule absolviert und wollte gerne zum Kommando Spezialkräfte. Dann kam sein Sohn zur Welt, und Rems verzichtete auf das Auswahlverfahren, zu dem er schon zugelassen war. Er wechselte in eine Kampfkompanie, wurde Gruppenführer, Berufssoldat, und dann war es passiert. Wumms.
Dem jungen Stabsunteroffizier waren die Tränen gekommen, als er von den ersten Besuchen am Krankenbett erzählt hatte.
» Verstehen Sie das? Bomber war eine Eiche. Vor dem hatte jeder Respekt. Wir wollten alle so sein wie er. Genauso hart, genauso cool. Der war ein Profi, ein Krieger. Mann, ey. Und er hatte eine echt gute Frau und den Sohn. Die hat er voll geliebt. Und dann lag er da, ohne Beine, und hat nur durch einen durchgeguckt oder aus dem Fenster gestarrt. Scheiße. Echt.«
Therese war der Meinung, dass es an dieser Verehrung lag, dass der junge Soldat sich nicht vorstellen konnte, ein mieser Junkie hätte seinen Helden einfach gekillt, ohne dass der sich groß wehren konnte. Grewe fand
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