Feindberührung - Kriminalroman
Full Members dem Club einen großen Teil ihrer Zeit widmen. Deswegen sind bürgerliche Berufe bei Rockern auch eher nicht zu finden. Bei Jobs, die den Interessen des Clubs nützlich sein können, wie Anwälte, Ärzte oder sogar Polizisten, kein Scheiß, wird mal der Unterstützerstatus großzügig ausgelegt. Aber dass die Bundeswehrkontakte brauchen können, glaube ich kaum. Waffen zett bee besorgen die sich wesentlich einfacher, aus einer Kaserne kriegst du ja nix raus.« Burckhardt zog eine Zigarette aus einer Packung in seiner Brusttasche, zündete sie aber selbstverständlich nicht an.
» Er kann in Kontakt mit der Gang geblieben sein, als Unterstützer oder so, da wird nicht allzu viel erwartet. Ich weiß nicht viel über die Dienstpflichten von Soldaten, aber ich denke, das ist ein Job, der es kaum zulässt, dass ein Mann sich im für ein Vollmitglied nötigen Maß um seinen Club kümmern kann.«
» Und umgekehrt.« Die Blicke gingen zu Fuchs.
» Na, ihr erinnert euch doch, dass ich gestern gesagt habe, die Bundeswehr sei streng bei Straffälligkeit. Klickklick?« Fuchs hatte die Augenbrauen gehoben und zeigte seine Handflächen wie ein Italiener.
» Aber er hat wahrscheinlich Stoff vertickt und das, laut seiner Frau, irgendwie in Zusammenhang mit den Skulls«, gab Therese zu bedenken. » Das böte doch sicherlich Konfliktpotenzial, oder?«
Burckhardt strich sich mehrmals den Bart nach unten glatt und überlegte.
» Na ja. Bei reinen Geschäftsdingen sind die untereinander eigentlich ziemlich abgeklärt. Da gibt es Schiedsgerichte und klare Regeln. Um einen aus den eigenen Reihen abzustechen, auch einen Unterstützer ohne offiziellen Status, muss man schon gute Gründe haben, die in der Regel mit Ehrensachen zusammenhängen. Oder derjenige steht unter Verratsverdacht. Da wird’s dann eng.« Burckhardt griff nach der Kaffeekanne und schraubte den Deckel auf.
» Rems wurde bei uns nicht als Informant geführt, das kann ich sicher sagen.« Er goss sich Kaffee ein, schüttete einen Löffel Zucker dazu und rührte um. Die Tasse verschwand fast in Burckhardts Pranken, er nahm einen Schluck und stellte den Kaffee wieder ab.
» Der vermutete Tatablauf an sich passt schon zu Rockern. Messer sind typische Waffen bei denen für Mann-zu-Mann-Kämpfe. Das heißt ja auch, dass einer die Eier hatte, so einen Stier wie Rems auf Tuchfühlung zu attackieren. Aber wie gesagt, es muss gute Gründe geben, einen quasi eigenen Mann zu töten.«
Eine beklommene Atmosphäre machte sich im Raum breit. Niemand hier hatte sich in den Jahren als Polizist an Gewalt gewöhnt, jeder wusste, das wäre der erste Schritt, ein schlechter Polizist zu werden.
» Das Übertöten passt aber gut zu so was, oder?« Estanza hatte das kurze Schweigen gebrochen. » Also zur verletzten Ehre, meine ich.«
» Hola, Españero.« Ganz leise flüsterte Therese das. Als » Übertöten « oder » Overkill « bezeichnete man eine Gewaltanwendung weit hinaus über den Zweck der Tat, wenn man so sagen wollte. Es war immer ein Hinweis auf außergewöhnlich heftige Emotionen. Für einen Tötungsrausch, manchmal aufgrund sexueller Erregung, manchmal wegen Drogeneinfluss oder einfach als ein Zeichen für die Anwesenheit des abgrundtief Bösen.
» Ja, find ich eigentlich auch.« Claudi. Therese zog Luft ein.
Gerd Drossel schnaubte laut und so missbilligend wie irgend möglich. Grewe hätte ihm jetzt gerne die Hand beruhigend auf den Arm gelegt, aber Drossel saß am anderen Ende des Tisches, weil er, ganz gegen seine Gewohnheit, als Letzter gekommen war. Also legte der Spurensicherer ungebremst los.
» Ich wiederhole mich, aber das tue ich ja gerne: Wir sollten auf die Sektion warten, bevor wir solche Spekulationen in Gang setzen. Das Tatortbild ist noch unklar, voller Widersprüche, egal, welcher Vision man derzeit in Gedanken nachgeht. Es ist gar nicht sicher, ob hier überhaupt ein Übertöten im exzessiven Sinne vorliegt, vielleicht hat der Täter oder die Täterin ja auch wirklich so viele Stiche gebraucht, um sich sicher zu fühlen, dass Rems tot ist. Wir. Wissen. Noch. Nichts!« Drossel unterstrich jedes einzelne Wort mit ausgestrecktem Zeigefinger und ließ seinen Blick durch die ganze Runde gehen. Dramatische Pause, alle merkten, jetzt würde ein Drossel’scher Knaller kommen. Keiner traute sich, ihm in die Augen zu sehen. Drossel lächelte übellaunig.
» Vielleicht mal was zum Lachen: Möglicherweise ist es ein Selbstmord. Na, wie steht’s
Weitere Kostenlose Bücher