Feindberührung - Kriminalroman
gesagt? Es hinge viel vom Wirkungs …dings seiner Aussagen ab. So wie Wolfe das verstanden hatte, musste er ein bisschen mehr erzählen, als bloß dass er glaubte, Mike hätte den Russen kaltgemacht. Das Problem war, Wolfe befürchtete, dass er gar nicht so viel wusste, wie die Bullen hofften. Er war immer nur ein Fußsoldat gewesen, einer fürs Grobe. Mit Fußsoldaten redete keiner über das große Geschäft. Mike war schon ein cleverer Typ, der hatte sogar Aktien und so Zeugs, kaum zu glauben. Das machte eben den Unterschied. Mike war genauso ein harter Rocker wie Wolfe, vielleicht sogar härter. Er soff und rauchte und sniefte, was er konnte, er fickte und prügelte, er drohte und machte Drohungen wahr. Aber er hatte auch Hirn.
Mike war ein Typ, vor dem man Angst haben sollte, das war gesünder. Selbst für einen Bruder.
Und vor allem für einen Bruder, der mit den Bullen quatschte.
Therese hatte Grewes Angebot, das Wochenende mit ihm und der Familie zu verbringen, abgelehnt. Es war verführerisch gewesen, ohne Frage. Die Grewes waren eine laute und konfliktfreudige Familie, aber sie waren eben vor allem eine Familie. Das gab es nicht mehr so oft heutzutage, fand Therese. Die riesige Maisonettewohnung beherbergte ein Sammelsurium von Resten aus Stinas Studentenleben, Ikeazeug und Flohmarkt. Viel Holz und dicke Kissen, ein uralter Küchentisch. An die zweihundert Quadratmeter Geborgenheit. Sie würde ausschlafen dürfen, mit wunderbarem Essen vollgestopft werden, und es bestünde ein durchgehendes Betreuungsangebot zur Auswahl: Gespräche, Spiele, Fernsehen, Hundespaziergänge oder einfach nur faul sein, rumliegen, lesen, in Ruhe gelassen werden. Und wenn es hart wurde, gab es viele weiche Grewe-Arme, um sich trösten zu lassen. Ja, es war ein großartiges Angebot.
Aber Therese hatte das Gefühl, sie würde damit nur etwas nach hinten verschieben, dem sie sich früher oder später stellen musste. Und sie war in solchen Lagen immer für früher. War man früher drin, kam man auch früher wieder raus.
Ihr Samstagsprogramm stand fest, ausschlafen hatte sie schon abgehakt, momentan war sie bei Punkt zwei, langes Frühstück. Der Tisch bog sich unter dem Angebot, als würde Therese noch auf ein paar Leute warten. San-Daniele-Schinken, Coppa di Parma, Bresaola, Oliven, getrocknete Tomaten, eingelegte Paprika und Auberginen, Scamorza und Pecorino, dazu frisch aufgebackene Ciabattabrötchen und für den Süßhunger ein ganzer Panettone. Ein gekochtes Ei und fünf bescheuerte Zeitschriften, die sie sonst nur beim Friseur las. Ein Hoch auf Giuseppes Laden an der Ecke. Im Briefkasten war das örtliche Werbekäseblatt gelegen. Normalerweise feuerte Therese das Teil ungelesen in die Tonne, aber heute stöberte sie die Seiten durch und war überrascht, was es für Veranstaltungen in der Stadt so gab, genauer gesagt, was für klar eingekreiste Interessengruppen. Da gab es die Familienprogramme mit Kleinkindern und die für Rentner. Diverse Sportprogramme, diese Kategorie war während der Wintermonate aber offensichtlich eher klein. Einige schwul-lesbische Termine gab es auch; noch vor zehn Jahren hätte man die sicher nicht aus dieser Zeitung erfahren.
Sie griff zum Handy und suchte die Nummer von Martina, der Kollegin der Spurensicherung. Sie ging nach dem zweiten Klingeln dran.
» Hi, Liebe, hier ist Therese. Ach, ganz gut soweit … Sag mal, hast du heute schon was vor? Super. Hör mal, ab fünfzehn Uhr ist Frauensauna in der Agrippa-Therme, das tut meinen blauen Flecken gut, und abends, also lach jetzt nicht, Weiberparty in der Tonhalle … Ja, ich auch nicht, seit dem Abi. Halt, stimmt nicht. Ich war doch ein Jahr bei der Jugendprävention. Da waren wir öfter mal da. Ja, und heute ist es ein Ü- 30 -Schuppen … Was? Eben, sage ich doch. Also kommst du so um halb drei, wir trinken noch ’nen Kaffee bei mir und dann geht’s los? …Ach du, ich freu mich so. Tschau.«
Therese legte auf, schnitt sich ein Brötchen auf und bestrich es mit Butter. Frauensauna, Weiberparty. War das jetzt ihr Leben? Eine Gezeichnete, die sich vor Männern versteckte? Zwei Scheiben San Daniele schmiegten sich auf die Butter
Und wenn schon. Dann musste sie sich immerhin nicht so viele Gedanken über ihren Hüftumfang machen. Therese legte drei große Stücke Pecorino auf den luftgetrockneten Schinken und biss mit wohligem Seufzen ein Stück ab.
Die Zellentür fiel hinter Mike Perschel zu. Die Schließer hatten Schiss, von drei Mann war
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