Feindberührung - Kriminalroman
sein Sohn ist doch im selben Alter, oder?« Der Hauptfeldwebel kniff die Augen zusammen.
» Kann sein, ich hab den nur einmal gesehen, ist schon ’ne Weile her.« Georgi klang abwesend.
Plötzlich klatschte er in die Hände.
» Wir müssen loslegen, hat ja keinen Zweck. Schnick, schnack, schnuck, ich hab gewonnen und zieh den 7 B an.« Er hatte allein die Handbewegung des Spiels nachgeahmt und » Schere « gezeigt.
Der Hauptfeldwebel nickte und ging zum Fahrzeug.
» Werbel, hol den 7 B raus, der Leutnant geht nach vorn.«
EOD- 7 B war der Bombenschutzanzug. Wie ein grüner Astronaut sah man damit aus. Der Stabsgefreite stieg in den Fuchs und räumte darin herum.
Georgi hob das Gesicht in die Sonne.
» Wenigstens sind die Temperaturen jetzt erträglich. Das Ding wiegt vierzig Kilo. Im Sommer ist das kein Spaß, trotz Kühlung.«
Sie sahen zu Rems und dem Jungen.
» Ich hol ihn mal da weg. Macht er jetzt echt lange genug.«
Georgi überlegte.
» Bomber soll einschätzen, ob der Junge das packt. Ich bin in fünf, sechs Minuten da und tape dem Kleinen die Hände. Spätestens dann kann er weg.«
Georgi sah ihn an. Er nickte, dann drehte sich der EOD-Boss um und ging zum Fahrzeug.
Etwas kratzte ihn unter dem Kinnschutz. Er verschob ihn, juckte sich, rückte dann den Helm wieder zurecht und ging los.
Der Junge konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, das war offensichtlich. Verdammt, verdammt. Wenn die IED jetzt umsetzte, bloß weil der hinfiel. Das wäre ein Witz. Ha, ha.
» Rems, alles klar bei Ihnen?«
Rems nickte und rief sanft lächelnd: » Nein, gar nichts klar hier. Der Junge klappt bald weg.«
Shit.
» Ich komme jetzt mal zu Ihnen, ja?«
» Okay, Herr Oberleutnant. Aber ganz langsam, und gucken Sie nett, ja? Ganz optimistisch. Der hat vor allem und jedem Schiss.«
» Na klar, Rems.«
Er nahm sein Gewehr langsam ab, klickte den Trageriemen so ein, dass er es auf den Rücken hängen konnte. Das sah dann vielleicht noch friedlicher aus.
War nicht so einfach, hinten hing ja noch der Trinkrucksack drauf. Aber ging.
Dann setzte er den Helm ab, wischte sich über die verschwitzten Haare und hängte ihn an der Weste ein.
Wenn das Zeug umsetzte, half ihm der Helm allein auch nichts mehr. Zum Schluss nahm er die dunkle Brille ab und steckte sie in eine seiner vielen Taschen.
Er ging langsam näher, ließ den Blick schweifen, nicht wie ein Soldat, der sicherte, sondern wie ein Tourist, interessante Steine hier, toller Staub. Und die grauen Hügel am Horizont. Gibt’s hier eigentlich Taliban? Ach, wie reizend. Das sollen ja so liebe Leute sein.
Als er bei den beiden ankam, lächelte er den Jungen an, legte die Hand aufs Herz und nickte leicht mit dem Kopf.
O Gott, so sah nur der Tod aus. Der Junge war schon fast drüben, der gab bald auf. Scheißescheißescheiße.
Er kniete sich neben Rems. Lächeln, entspannt wirken.
» Also. Georgi zieht sich den Anzug an und kommt her. Er will dem Jungen die Hände tapen, spätestens dann können Sie ihn loslassen. In fünf Minuten ist Georgi da. Wenn Sie glauben, der Kleine schafft das bis dahin, können wir sofort weg.«
Rems lachte kurz, als hätte der neue Soldat ihm etwas Nettes gesagt, und nickte dann bestätigend, ja, genau, ich bin auch fest überzeugt, dass die Sache gut ausgehen wird, sonst würden wir beide doch nicht so entspannt hier hocken, oder?
» Ich kann nicht weg, Herr Oberleutnant. Wenn ich dem Jungen nicht die Daumen runterdrücke, knallt’s sofort. Der kann nicht mehr.«
Er nickte Rems freundlich zu, lächelte.
» Okay. Ob ich mal versuche, den Jungen festzuhalten, damit er nicht umfällt?«
Rems zwinkerte dem kleinen Afghanen zu, man konnte dem kaum ins Gesicht sehen, so viel Elend, Verzweiflung, Erschöpfung und Angst. Wie lange schon? Wie lange noch?
» Keine Ahnung, wie er reagiert. Vielleicht denkt er, Sie wollen ihm was tun? Damit wir in Ruhe die Scheißweste abschneiden können, oder so. Man guckt in Kinderköpfe nicht rein. Nicht in so einem Land.«
» Ja. Wir brauchen den Sprachmittler hier vorne.«
» Tja, wer weiß, ob der sich hierhinstellen will.«
Er hatte viel mit Mirwais zu tun, meistens führten die Kompaniechefs und Einsatzoffiziere die Gespräche mit der Bevölkerung oder den Soldaten der ANA und den afghanischen Polizisten.
» Mirwais hat selber fünf Kinder. Ich könnte mir vorstellen, dass er es macht. Trotz Risiko.«
» Okay, dann fragen Sie nach, ich pack das noch ’ne Weile hier. Bloß der Junge
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