Feindberührung - Kriminalroman
wir nicht. Kann sein, die Kollegen seilen sich mit Schwung von oben ab und klatschen Scheiße ans Panzerglas. Zweiten Versuch haste dann nicht mehr.« Derksen grinste. » Außerdem: Durchs Fenster hüpfen ist klassisch bei statischer Lage, also SEK.«
Mit einer wischenden Handbewegung fuhr Derksen den Straßenabschnitt auf dem Bildschirm nach.
» Nee, nee. Das hier ist genau unser Ding. Wir sehen den Mann gehen, können daher den körperlichen Zustand besser abschätzen. Wenn er Waffen hat, dann nur am Mann, da können wir ihn abhalten. Ist er in Begleitung, wird die von einem zweiten Team separiert. Klare Sache für uns, da sind wir absolut Herr der Lage.« Derksen nickte, dann fasste er nach seinem Ohrknopf.
» Alpha hört.«
Der MEK-Chef fixierte einen Punkt über den Bildschirmen und konzentrierte sich auf den Funkspruch.
» Verstanden. Aus.« Mit Blick zu Grewe fuhr er fort. » Es geht gleich los. Perschel ist dabei, das Büro zu verlassen.«
Dann drückte er wieder den Ohrstöpsel fester.
» An alle Stellen, hier ist Alpha. Ziel bewegt sich, mit Zugriff rechnen. Eventuell eine weitere Person, Alpha vier als zweites Zugriffsteam bereit machen, kommen.«
Derksen wartete die Quittierung des Befehls ab, dann betrachtete er konzentriert den Eingang des » Hush-Hush« auf dem Bildschirm.
Die drei Kripobeamten sahen am Bildrand, dass zwei Männer aus einem Hauseingang traten, einer hatte ein Handy am Ohr und telefonierte hektisch, der andere glotzte unbeteiligt in die Gegend. Beide bewegten sich langsam, immer wieder stehen bleibend auf Perschels Puff zu. Das Telefonat schien den Mann zu verärgern, er gestikulierte wild, dem anderen war es offensichtlich peinlich.
» An Dierstein ist ein Schauspieler verloren gegangen«, feixte Derksen. » Telefonieren spielt er am liebsten.«
Überhaupt war das Mimikry der MEK-Leute beeindruckend. Wenn man nicht wusste, wer sie waren, dann fielen sie im Straßenbild wirklich nicht auf. Sie standen nicht einfach rum, sondern bewegten sich zyklisch, entfernten sich auch mal auf Blockweite und blieben eine Weile weg, wurden dann von Kollegen ersetzt. Allein, zu zweit, auch mal in einer Dreiergruppe schlenderten sie oder blieben an günstigen Stellen verborgen. Insgesamt waren zwölf Beamte an dem direkten Zugriff beteiligt, vier trieben sich immer in direkter Nähe des » Hush-Hush« herum.
» Da!« Estanza zeigte aufgeregt auf einen Hofeingang, etwa fünf Meter neben dem Eingang des Puffs. » Das isser doch?«
Derksen schaute hin, nickte und drückte wieder den Ohrstöpsel fest.
» An alle Stellen, hier Alpha. Ziel auf der Straße, ohne Begleitung. Zugriff nach eigenem Ermessen freigegeben. Eigensicherung beachten. Rock ’n’ Roll.«
Mit offenem Mund sahen die drei Mordermittler auf dem Bildschirm, wie Perschel sich selbstgefällig streckte und dann leicht schwankend auf dem Bürgersteig schlenderte. Gerade als er seine Sonnenbrille von der Stirn auf die Nase schieben wollte, kam er zwei ihm entgegengehenden MEK-Männern auf Armlänge nahe. Der ihm Nähere der beiden zog mit einer ansatzlosen Bewegung seinen Ellbogen mit Schwung nach oben und vorn, dabei schlug er Perschel mit voller Wucht gegen den Kehlkopf. Im Vorbeigehen trat der Beamte Perschel mit Schmackes in die Kniekehle, und der sackte zusammen. Im Fallen hatte sich der zweite MEK-Mann schon ein Handgelenk des Rockers gegriffen, den Arm über seinen Kopf gehoben, sich selbst darunter durchgeschoben, und so knallte Perschel mit nach hinten verdrehtem Arm aufs Pflaster. Der Polizist, der den Arm hielt, kniete dicht neben dem Rocker, drückte den Arm in einer offensichtlich extrem schmerzhaften Position nach oben und presste ihm gleichzeitig ein Knie aufs Schulterblatt. Sein Kollege hatte ein Knie auf Perschels Rücken, das andere nagelte den freien Arm des Zuhälters auf dem Bürgersteig fest. Eine Hand lag bleischwer auf dem Kopf des Verhafteten, während die andere Kabelbinder vom Gürtel des Beamten riss.
Wie aus dem Nichts waren acht weitere Beamte aufgetaucht, vier mit gezogenen Pistolen zur Sicherung, einer ebenfalls mit Kabelbinder in der Hand, drei hatten ihre Dienstausweise in der Hand und postierten sich im nahen Umkreis des Geschehens, um Passanten vom Eingreifen abhalten zu können.
Derksen zog den Ohrstöpsel raus und nickte den drei Kollegen zu. Alle standen auf und sprangen aus der von Derksen geöffneten Seitentür des Transporters. Der Verkehr in der Seitenstraße des Bahnhofsviertels war
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