Feinde der Krone
nicht zu wissen brauchen, wie es aussieht. Wir könnten es ohnehin nicht verstehen und müssen Ihm vertrauen.«
Patterson schloss die Augen und öffnete sie wieder. »Wie Sie das sagen, klingt es, als wäre es ganz einfach, Mistress Underhill.«
»Möglich.« Sie lächelte mit einem Mal betrübt. Sie musste daran denken, wie viele ihrer eigenen Gebete unbeantwortet
geblieben waren, musste an ihre Einsamkeit denken, die bisweilen nahezu unerträglich war. »Das ist aber nicht dasselbe, als wenn man sagte, es wäre leicht. Dieses Verhalten wird von uns erwartet. Ich sage damit nicht, dass ich es kann, ebensowenig wie ich das von Ihnen oder einem anderen Menschen zu sagen vermag.«
»Sie sind sehr weise, gnädige Frau.« Er sah sie ernst an und suchte in ihrem Gesicht zu ergründen, welche Erfahrungen sie zu solchen Erkenntnissen geführt haben mochten.
Sie wandte sich ab. Diese Dinge konnte sie mit niemandem teilen, und sofern er überhaupt etwas davon verstand, wäre das gleichbedeutend damit, dass sie Reginald endgültig hinterging. Eine Frau, die in ihrer Ehe glücklich ist, empfindet keine solche Trostlosigkeit. »Trinken Sie Ihren Tee, solange er heiß ist«, riet sie ihm. »Er löst zwar unsere Schwierigkeiten nicht, hilft uns aber, sie mit größerem Mut anzugehen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, verließ sie den Raum und schloss leise die Tür hinter sich.
Draußen im Vestibül kam ihr zu Bewusstsein, dass sie sich in etwas eingemischt hatte. Während ihres ganzen Ehelebens hatte sie die Rolle ihres Mannes nicht in dieser Weise an sich gerissen. Ihre Aufgabe war es, getreulich und unauffällig im Hintergrund zu helfen und ihn zu unterstützen. Jetzt hatte sie gegen praktisch alle Regeln verstoßen, mit dem Ergebnis, dass ihr Mann vor einem Untergebenen als unfähig dastand.
Nein, das wurde ihr nicht gerecht. Er selbst hatte sich unfähig gezeigt. Damit hatte sie nichts zu tun. Er war unsicher gewesen, als Entschiedenheit von ihm erwartet wurde und stille Zuversicht, als er Patterson, den die Stürme des Lebens zumindest vorläufig haltlos hin und her warfen, einen Halt und Anker hätte bieten müssen.
Doch was war der Grund? Was um Himmels willen stimmte nicht mit Reginald? Warum hatte er nicht voll Zuversicht und leidenschaftlicher Gewissheit erklärt, dass Gott alle Menschen liebt, Männer, Frauen und Kinder, und dass wir vertrauen müssen, wo wir nicht verstehen können?
Sie ging zurück in die Küche, um mit der Köchin die nächsten Mahlzeiten zu besprechen. Am Abend würde sie mit dem
Bischof zu einem weiteren der endlosen politischen Empfänge gehen. Immerhin waren es nur noch wenige Tage bis zur Wahl, dann wäre zumindest das vorüber.
Was erwartete sie danach? Lediglich Variationen dessen, was sie schon kannte, und unendliche Einsamkeit.
Sie saß im Salon, als sie hörte, dass Patterson ging. Ihr war klar, dass es nur wenige Minuten dauern würde, bis der Bischof hereinkam, um sie wegen ihres Eingreifens zur Rede zu stellen. Sie wartete und überlegte, was sie sagen sollte. Wäre es langfristig das Beste, sich einfach zu entschuldigen? Eine Rechtfertigung für ihr Verhalten gab es nicht. Sie hatte seine Stellung untergraben, indem sie den Trost gespendet hatte, den er hätte geben sollen.
Erst eine Viertelstunde später kam er herein. Er war bleich. Obwohl sie damit rechnete, dass er jeden Augenblick explodieren würde, brachte sie es nicht fertig, sich zu entschuldigen.
»Du siehst erschöpft aus«, sagte sie mit weniger Mitgefühl, als sie ihrer eigenen Ansicht nach hätte aufbringen müssen, wofür sie sich aufrichtig schämte. Er ließ sich in einen Sessel sinken, als gehe es ihm wirklich schlecht. »Was ist mit deiner Schulter?« Auf diese Weise versuchte sie ihre Gleichgültigkeit wettzumachen, denn ihr war aufgefallen, dass er zusammenzuckte und sich den Arm rieb, während er seine Stellung veränderte.
»Ein Rheumaanfall«, sagte er. »Er ist sehr schmerzhaft.« Sein gequältes Lächeln schwand schon nach wenigen Sekunden. »Du musst mit der Köchin sprechen. Ihre Leistungen lassen in letzter Zeit zu wünschen übrig. Ich hatte in meinem Leben noch nie eine so schlechte Verdauung.«
»Vielleicht etwas Milch und Pfeilwurz?«, schlug sie vor.
»Ich kann doch nicht für den Rest meiner Tage von Milch und Pfeilwurz leben!«, knurrte er. »Ich brauche einen Haushalt, der einwandfrei funktioniert, mit einer Küche, die essbare Speisen auf den Tisch bringt. Wenn du dich um deine
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