Feinde der Krone
und würde das Leben keines Menschen verändern. Er war lediglich jemand, von dem man am ehesten annehmen konnte, dass er das Bestehende und Bekannte, in dem sich alle eingerichtet hatten, nicht gefährdete. Bei ihm durfte man sich auf jeden Fall darauf verlassen, dass er bewahrte, was da war, ob gut oder schlecht.
Sie wurden vorgestellt, und sie folgte ihm mit einem Schritt Abstand und erwiderte den Gruß der Anwesenden mit einem Lächeln und höflichen Worten. Sie bemühte sich, Interesse für sie aufzubringen
»Mister Aubrey Serracold«, stellte Lady Warboys vor. »Er bewirbt sich um den Unterhaussitz für South Lambeth. Mistress Underhill, Bischof Underhill.«
»Sehr erfreut, Mister Serracold«, sagte Isadora pflichtschuldig, da merkte sie mit einem Mal, dass etwas an ihm ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Er erwiderte ihre Begrüßung mit einem Lächeln, wobei in seinen Augen eine leichte Belustigung lag, als herrsche zwischen ihnen Einverständnis über einen eher absurden Witz, den sie vor diesem Publikum anstandshalber nicht ausbreiten durften. Während der Bischof zum nächsten Gast weiterging, lächelte sie ihrerseits Aubrey Serracold zu. Ihr fiel ein, dass sie irgendwo gehört hatte, er sei der zweite Sohn eines Marquis oder dergleichen, weshalb ihm die Anrede »Lord« zustehe, auf die er aber keinen Wert lege. Insgeheim hoffte sie, er habe politische Überzeugungen und strebe den Sitz im Unterhaus nicht nur an, um sich die Langeweile zu vertreiben. Wie diese Überzeugungen wohl aussehen mochten?
»Welche Partei vertreten Sie, Mister Serracold?«, fragte sie mit einem Interesse, das sie nicht zu heucheln brauchte.
»Ich bin gar nicht sicher, dass eine der beiden die Verantwortung für mich übernehmen würde, meine Gnädigste«, gab
er mit leicht schiefem Lächeln zurück. »Ich habe einige meiner persönlichen Überzeugungen offen ausgedrückt, was mich nicht überall beliebt gemacht haben dürfte.« Mit diesen Worten erregte er ihre Aufmerksamkeit, und vielleicht war das auf ihren Zügen zu erkennen, denn er machte sogleich nähere Ausführungen. »Zunächst einmal habe ich die unverzeihliche Sünde begangen, dem Gesetzesentwurf für den achtstündigen Arbeitstag Vorrang vor der Selbstbestimmung für Irland einzuräumen. Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht beides einführen sollten, womit wir wahrscheinlich die Unterstützung der großen Masse der Bevölkerung gewinnen könnten, und das wiederum wäre eine Basis, auf der man weitere dringend nötige Reformen durchführen könnte, angefangen damit, dass man die Länder des Weltreichs ihren angestammten Bewohnern zurückgibt.«
»Was den letzten Punkt angeht, bin ich nicht sicher, aber alles andere klingt ungeheuer vernünftig«, stimmte sie zu. »Viel zu sehr, als dass man annehmen dürfte, man werde es in Gesetze gießen.«
»Sie sind ja eine Zynikerin«, sagte er mit gespielter Verzweiflung.
»Mein Mann ist Bischof«, gab sie zur Antwort.
»Ach so! Natürlich …« Da drei weitere Gäste auf sie zutraten, unter ihnen Serracolds Gattin, musste er von weiteren Ausführungen absehen. Isadora hatte die Frau zwar noch nie gesehen, wohl aber gehört, dass man mit Beunruhigung und Bewunderung über sie sprach.
»Sehr erfreut, Sie kennen zu lernen, Mistress Underhill«, sagte Rose mit nur mühsam verhüllter Teilnahmslosigkeit, als sie einander vorgestellt wurden. Weder beschäftigte sich Isadora mit Politik, noch konnte sie trotz ihres meergrünen Kleides als wirklich modisch gelten. Sie war eine Frau von konservativem Geschmack und unwandelbarer Schönheit.
Rose Serracold hingegen war in geradezu übersteigerter Weise avantgardistisch eingestellt. Das zeigte sich bereits in ihrer Erscheinung. Das Kleid aus burgunderfarbenem Satin war mit Guipurespitze verziert, was zusammen mit ihrem aschblonden Haar besonders auffällig wirkte, etwa wie Blut
und Schnee. Ihre leuchtend blauen, wasserhellen Augen schienen jeden im Raum mit einer Art Hunger zu betrachten, als suche sie nach einem bestimmten Menschen, den sie nicht fand.
»Mister Serracold hat mir über die Reformen berichtet, die er bewirken möchte«, sagte Isadora im Unterhaltungston.
Rose sah sie mit strahlendem Lächeln an. »Bestimmt haben Sie hinreichend Kenntnis von dieser Notwendigkeit«, gab sie zur Antwort. »Zweifellos sind Ihrem Gatten in seinem Amt Armut und Ungerechtigkeit in der Welt nur allzu schmerzlich zu Bewusstsein gekommen, die sich lindern ließen, wenn unsere Gesetze mehr
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