Feinde der Krone
man ihn reden hörte, hätte man glauben können, sie wäre mit Wein versetzt gewesen!
Der Abend schleppte sich hin, Versprechen wurden gemacht und gebrochen. Kurz nach Mitternacht gingen die ersten Gäste. Unter ihnen befanden sich der Bischof und Isadora.
Als sie in ihrer Kutsche davonfuhren, wandte sie sich ihm zu. »Was um Himmels willen ist nur in dich gefahren, dass du so gegen Mister Serracold vom Leder gezogen hast? Noch dazu in Anwesenheit des Ärmsten! Falls seine Vorstellungen extrem sein sollten, würde sie ohnehin niemand zur Grundlage eines Gesetzes machen wollen.«
»Willst du damit sagen, dass ich warten soll, bis sie dem Parlament vorgelegt werden, bevor ich mich dagegen wende?«, fragte er scharf zurück. »Möchtest du womöglich, dass ich warte, bis das Unterhaus den Vorschlag gebilligt hat und er dem Oberhaus vorliegt, wo ich mich dann dazu äußern darf? Ich
zweifle nicht im Geringsten daran, dass seine weltlichen Mitglieder gegen die meisten Vorschläge dieser Art stimmen werden, aber in meine Amtsbrüder, die geistlichen Lords, setze ich weniger Vertrauen. Sie verwechseln das Erstrebenswerte mit dem Durchführbaren.« Er hüstelte. »Die Zeit ist kurz, Isadora. Niemand kann es sich leisten, den Tag hinauszuschieben, an dem er zu handeln hat. Möglicherweise erlebt er den morgigen Tag nicht mehr, an dem er Fehler wieder gutmachen kann.«
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Aussagen dieser Art entsprachen seinem Wesen in keiner Weise. Sie hatte noch nie an ihm bemerkt, dass er sich so festlegte. Früher hatte er sich stets ein Hintertürchen offen gelassen, um sich herauswinden zu können, falls sich die Umstände änderten.
»Geht es dir wirklich gut, Reginald?«, erkundigte sie sich. Im selben Augenblick wünschte sie, es nicht gesagt zu haben. Sie wollte sich nicht wieder eine Litanei darüber anhören müssen, was ihm am Abendessen nicht zugesagt hatte, seine Klagen über die Art der Bedienung, seine Kommentare zu den Ansichten anderer oder darüber, wie diese sie geäußert hatten. Hätte sie sich doch auf die Zunge gebissen und irgendein zustimmendes Gemurmel von sich gegeben! Jetzt war es zu spät.
»Nein«, sagte er ziemlich laut. In seiner Stimme schwang geradezu Verzweiflung mit. »In keiner Weise. An meinem Platz muss es gezogen haben. Ich spüre mein Rheuma in allen Knochen und habe entsetzlich Schmerzen in der Brust.«
»Ich nehme an, dass es nicht klug war, die Selleriesuppe zu essen«, sagte sie. Zwar bemühte sie sich, Mitgefühl in ihre Worte zu legen, merkte aber, dass ihr das nicht gelang. Sie hörte selbst, wie gleichgültig klang, was sie sagte.
»Ich fürchte, es ist etwas weit Schlimmeres.« Jetzt lag in seiner Stimme kaum verhüllte Panik. Sie war sicher, dass sie auf seinem Gesicht eine nur mühsam beherrschte Angst erkannt hätte, wenn sie es in der dunklen Kutsche hätte sehen können. Sie war froh, dass das nicht möglich war, denn sie wollte nicht in seine Empfindungswelt mit hineingezogen werden. Das war früher schon viel zu oft geschehen.
»Eine Magenverstimmung kann sehr unangenehm sein«, sagte sie ruhig. »Wer sich darüber lustig macht, hat noch nie darunter gelitten. Aber zum Glück geht so etwas vorüber und richtet keinen dauernden Schaden an. Schlimm ist nur die ständige Müdigkeit, weil man nicht schlafen konnte. Mach dir also bitte keine Sorgen.«
»Meinst du?«, fragte er. Er wandte ihr den Kopf nicht zu, doch hörte sie aus seiner Stimme den Wunsch heraus, ihr zu glauben.
»Natürlich«, sagte sie beschwichtigend.
Schweigend fuhren sie den Rest des Weges, doch spürte sie sein Unbehagen fast körperlich. Es saß zwischen ihnen wie ein lebendes Wesen.
Sie erwachte in der Nacht und sah, dass er vorgebeugt auf der Bettkante saß. Sein Gesicht war aschfahl, der linke Arm hing lose herab, als hätte er keine Kraft darin. Sie schloss die Augen wieder, bemüht, möglichst rasch wieder in ihren Traum vom offenen Meer zurückzufinden, wo Wellen leise an den Rumpf eines Bootes schlugen. Sie stellte sich John Cornwallis dort vor, das Gesicht in den Wind gedreht, ein vergnügtes Lächeln auf den Lippen. Von Zeit zu Zeit wandte er sich ihr zu und sah sie an. Möglicherweise wollte er etwas sagen, wahrscheinlich aber nicht. Ihrer beider Schweigen war friedvoll, und so tief war das Einverständnis zwischen ihnen, dass es keiner Worte bedurfte.
Doch ihr Gewissen ließ ihr keine Ruhe, und so gab sie See und Himmel auf. Das Bewusstsein, dass
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