Feinde der Krone
Gleichheit bewirkten.« Sie sagte das herausfordernd. Offenkundig wollte sie erreichen, dass Isadora bekannte, nichts davon zu wissen, womit sie als Heuchlerin dagestanden hätte, die das von ihrem Mann gepredigte Christentum nicht lebte.
Ohne ihre Worte abzuwägen, gab Isadora zurück: »Selbstverständlich. Auch fällt es mir nicht schwer, mir die Veränderungen vorzustellen, wohl aber weiß ich nicht recht, wie sie sich verwirklichen lassen. Ein Gesetz taugt nur dann etwas, wenn man es durchsetzen kann, das heißt, es muss eine Sanktion geben, die wir anzuwenden bereit sind, wenn jemand dagegen verstößt. Solche Verstöße aber wird es auf jeden Fall geben, und sei es nur, um die Ernsthaftigkeit des Reformbestrebens auf die Probe zu stellen.«
Rose war begeistert. »Sie haben sich ja tatsächlich Gedanken darüber gemacht!« Ihre Überraschung ließ sich förmlich mit Händen greifen. »Ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie gekränkt habe, indem ich Ihre Aufrichtigkeit anzweifelte.« Mit gesenkter Stimme, so dass nur die ihr zunächst Stehenden hören konnten, was sie sagte, fuhr sie fort: »Wir müssen unbedingt miteinander sprechen, Mistress Underhill.« Weil sie mit einem Mal so leise sprach, trat um sie herum Stille ein, da alle hören wollten, was sie sagte. Mit ihrer eleganten Hand, an deren langen Fingern mehrere Ringe blitzten, zog sie Isadora von der Gruppe fort, in der sie mehr oder weniger zufällig aufeinander gestoßen waren. »Die Zeit ist schrecklich knapp«, nahm sie den Faden wieder auf. »Wir müssen uns weit mehr vorwagen
als die Partei das offiziell zulässt, wenn wir wirklich etwas Gutes ausrichten wollen. Die Abschaffung des Schulgeldes für Elementarschulen im vorigen Jahr hat schon großartig gewirkt, aber das ist erst ein Anfang. Es bleibt noch weit mehr zu tun. Bildung für alle ist auf Dauer die einzige Möglichkeit, etwas gegen die Armut zu unternehmen.« Sie holte rasch Luft und fuhr fort: »Wir müssen Möglichkeiten finden, dafür zu sorgen, dass Frauen die Zahl ihrer Kinder begrenzen können. Armut und körperliche wie seelische Erschöpfung sind das unvermeidliche Ergebnis, wenn sie ein Kind nach dem anderen zur Welt bringen und weder die Kraft haben, sich um sie zu kümmern, noch das Geld, sie zu ernähren und zu kleiden.« Sie sah Isadora mit offener Herausforderung an. »Es tut mir Leid, wenn diese Vorstellung gegen Ihre religiösen Überzeugungen verstößt, aber als Frau eines Bischofs in einer großen Dienstwohnung zu leben ist etwas völlig anderes, als wenn man in einem oder zwei kaum heizbaren Zimmern ohne Wasser versucht, ein Dutzend Kinder zu ernähren und sauber zu halten.«
»Würde sich der Achtstundentag günstig oder ungünstig darauf auswirken?«, erkundigte sich Isadora, bemüht, sich nicht durch Dinge kränken zu lassen, die mit der eigentlichen Frage letzten Endes nichts zu tun hatten.
Die geschwungenen Augenbrauen der anderen hoben sich. »Wie könnte der sich ungünstig auswirken? Jeder, der arbeitet, ob Mann oder Frau, muss vor Ausbeutung geschützt werden!« Die blasse Haut ihres Gesichts wurde flammend rot vor Zorn.
Ihr Gespräch wurde durch das Hinzutreten einer Bekannten von Rose unterbrochen, die sie überschwänglich begrüßte. Sie wurde ihr als Mrs. Swann vorgestellt und machte ihrerseits Isadora mit ihrer Begleiterin bekannt, einer selbstsicher wirkenden reifen Frau von vierzig Jahren, die immer noch so jugendlich wirkte, dass die Augen der meisten Männer mit Wohlgefallen auf ihr ruhten. Sie hielt den Kopf anmutig hoch erhoben und gab sich wie jemand, der einerseits völlig in sich ruht, andererseits aber den Menschen gegenüber aufgeschlossen ist.
»Mistress Octavia Cavendish«, sagte Mrs. Swann mit einem Anflug von Stolz.
Unmittelbar bevor sich Isadora äußerte, begriff sie, dass es sich um eine Witwe handeln musste, wenn sie auf diese Weise vorgestellt wurde. »Interessieren Sie sich für Politik?«, fragte sie. Angesichts des eingeladenen Personenkreises lag diese Annahme nahe.
»Nur soweit sie die Gesetze ändert, und das, hoffe ich, zum Nutzen aller«, sagte Mrs. Cavendish. »Man braucht ein großes Maß an Weisheit, wenn man die Ergebnisse seines Handelns im Voraus abschätzen will. Bisweilen führen gerade die edelsten Absichten zu einem nicht vorhersehbaren katastrophalen Ergebnis.«
Rose öffnete ihre bemerkenswerten Augen weit. »Mistress Underhill wollte uns gerade erklären, welchen Schaden der achtstündige Arbeitstag
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