Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
anrichten kann«, sagte sie und sah Mrs. Cavendish dabei fest an. »Ich fürchte, dass sie im Innersten konservativ gesinnt ist.«
    »Also wirklich, Rose«, mahnte Mrs. Swann sie und warf Isadora rasch einen entschuldigenden Blick zu.
    »Nein!«, sagte Rose ungeduldig. »Wir sollten nicht länger um den heißen Brei herumreden und wirklich sagen, was wir meinen. Ist es zu viel verlangt, dass wir von Menschen Ehrlichkeit erwarten? Haben wir nicht die Pflicht, Fragen zu stellen und Antworten zu erwarten?«
    »Rose, ein wenig Überspanntheit ist gut und schön, aber ich fürchte, du gehst zu weit!«, sagte Mrs. Swann mit nervösem Hüsteln. Sie legte ihr eine Hand auf den Arm, die Rose aber ungeduldig abschüttelte. »Vielleicht möchte Mistress Underhill nicht -«
    »Wirklich nicht?«, fragte Rose, wobei ihr strahlendes Lächeln wieder aufblitzte.
    Bevor Isadora antworten konnte, ergriff Mrs. Cavendish das Wort. »Es ist schlimm, wenn jemand so viel arbeiten muss, und es ist auch nicht recht«, sagte sie, »doch ist das immer noch besser, als überhaupt keine Arbeit zu haben…«
    »Eine solche Haltung ist erpresserisch!«, fiel ihr Rose wütend ins Wort.
    Mrs. Cavendish beherrschte sich bewundernswert. »Gewiss, sofern ein Arbeitgeber es darauf anlegt. Doch wenn seine
Erträge zurückgehen und die Konkurrenz ihm das Leben schwer macht, kann er sich höhere Kosten nicht leisten, denn sonst würde er Bankrott machen, und seine Leute würden ihren Arbeitsplatz verlieren. Da wir nun einmal das Weltreich haben, müssen wir es unbedingt behalten, ob uns das recht ist oder nicht.« Sie lächelte, um ihren so überzeugend vorgetragenen Worten den Stachel zu nehmen. »Bei der Politik geht es um das, was möglich ist, und nicht um das, was wir gern hätten«, fügte sie hinzu. »Ich denke, das ist Teil der Verantwortlichkeit eines Politikers.«
    Isadora ließ den Blick zwischen Mrs. Cavendish und Rose Serracold hin und her wandern und sah, dass Letztere mit einem Mal verblüfft wirkte. Sie war auf einen Menschen gestoßen, der eine der ihren entgegengesetzte Position vertrat, und zwar mit der gleichen Überzeugung wie sie. Sie sah keine Möglichkeit, der schlüssigen Argumentation etwas entgegenzusetzen. Einstweilen musste sie sich geschlagen geben. Allem Anschein nach war das für sie eine neue Erfahrung.
    Bei einem Blick zu Aubrey Serracold hinüber sah Isadora in seinen Augen nicht nur Empfindsamkeit, sondern auch eine Art Betrübnis, das Wissen, dass kostbare Dinge zerstört werden können.
    Genau so hätte sie Cornwallis gegenüber empfinden können. Sie wäre bereit gewesen, vieles auf sich zu nehmen, um zu schützen, was gut an ihm war: ein großzügiges Herz, ein klarer Verstand, Ehrgefühl und Abscheu vor Gemeinheiten und Niedertracht. All das war von unendlichem Wert, nicht nur für sie, sondern an sich. An Reginald Underhill gab es nichts, was in ihr diesen wilden Schmerz hervorrief, der halb Qual, halb Lust war.
    In diesem Augenblick trat ein weiterer Mann zu ihrer Gruppe. Die Vertrautheit, mit der er Mrs. Cavendish ansah, zeigte, dass er zu ihr gehörte. Es überraschte Isadora nicht, dass sie zumindest einen Bewunderer hatte, denn sie war eine bemerkenswerte Frau, und das nicht nur in ihrer äußeren Erscheinung. Sie besaß ein Ausmaß an Charakter, Intelligenz und Klarheit des Denkens, wie man es nicht alle Tage fand.
    »Darf ich meinen Bruder vorstellen«, sagte Mrs. Cavendish
rasch. »Sir Charles Voisey. Mistress Underhill, Mister und Mistress Serracold.« Bei den letzten beiden Namen verzog sie das Gesicht ein wenig, und Isadora durchfuhr die Erkenntnis, dass sich Voisey und Serracold um denselben Unterhaussitz bewarben. Einer von beiden musste verlieren. Interessiert sah sie zu Voisey hin. Sie entdeckte keinerlei Ähnlichkeit zwischen den Geschwistern. Seine Haare waren leicht rötlich, die seiner Schwester hingegen dunkel, was einen aufregenden Kontrast zu ihrer hellen Haut bildete. Die Nase in seinem langen Gesicht war nicht ganz gerade, als wäre sie irgendwann einmal gebrochen und schlecht verheilt. Das Einzige, was sie gemeinsam hatten, war ihre rasche Intelligenz und eine starke innere Kraft. Bei ihm war sie so ausgeprägt, dass sie schon fast erwartete, sie als Hitze in der Luft spüren zu können.
    Sie murmelte einige höfliche Worte. Ihr war bewusst, dass Aubrey Serracold jetzt seine Empfindungen verbarg, wusste er doch, dass es sich bei seinem Gegenspieler um einen völlig anders gearteten Menschen

Weitere Kostenlose Bücher