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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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handelte, dem jegliche Rücksicht fremd war. Die sich anschließende höfliche Konversation genügte lediglich der gesellschaftlichen Form und war nicht dazu angetan, auch nur irgendjemanden zu täuschen.
    Rose war unübersehbar wütend. Die Ringe an ihren langen Fingern blitzten, während sie ihre Hände bewegte, und im Licht der Kronleuchter über ihnen schimmerte die Haut ihres Halses fast bläulich weiß. Es sah aus, als könnte man die Venen sehen, wenn man ein wenig genauer hinschaute. Isadora meinte an ihr den Ausdruck von Furcht zu erkennen. Er lag gleich einem Parfüm in der Luft, wie der Duft nach Lavendel, Jasmin und der schwere Geruch der Lilien, die in Vasen auf dem Tisch standen. War es ihr so wichtig zu gewinnen? Oder gab es da etwas anderes?
    Die ganze Gesellschaft zog ins Esszimmer um, wobei selbstverständlich auf die genaue Rangfolge geachtet wurde. Als Ehefrau eines Bischofs gehörte Isadora zu den Ersten. Ihnen folgten Angehörige des Adels, weit vor gewöhnlichen Sterblichen, wie es bloße Unterhauskandidaten waren. Auf den Tischen schimmerten Kristall und Porzellan um die Wette. An jedem Platz glänzten Messer, Gabel und Löffel.
    Nachdem die Damen Platz genommen hatten, setzten sich auch die Herren. Gleich darauf wurde der erste Gang aufgetragen, dann nahm man die unterbrochenen Gespräche wieder auf, ertönte munteres Geplauder, hinter dem sich so manches Geschäft verbarg und bei dem die eine oder andere Schwäche sondiert und auch ausgebeutet wurde. An einem solchen Ort wurden Bündnisse geschmiedet, aber auch künftige Feindschaften keimten dort auf.
    Isadora achtete nur halb auf das, was um sie herum gesagt wurde. Das meiste davon hatte sie schon früher gehört: die Fragen von Wirtschaft und Moral, Finanzangelegenheiten, die religiösen Schwierigkeiten und Rechtfertigungen, die politischen Erfordernisse.
    Als aber der Bischof mit einem Mal Voiseys Namen nannte und seine Stimme geradezu begeistert klang, erregte das ihre Aufmerksamkeit, und sie hörte verblüfft zu. »Unschuld bewahrt uns nicht vor den Fehlern wohlmeinender Männer, deren Kenntnis der Menschennatur weit geringer ist als ihr Bestreben, Gutes zu tun«, sagte er salbungsvoll. Er sah nicht zu Aubrey Serracold hin, doch merkte Isadora, dass mindestens drei andere am Tisch das taten. Rose erstarrte, ihre Hand umklammerte das Weinglas.
    »Ich habe in jüngster Zeit schrittweise erkannt, wie schwierig es ist, weise zu regieren«, fuhr der Bischof fort und sah entschlossen drein, als werde er sich auf keinen Fall davon abbringen lassen, vollständig vorzutragen, was er sagen wollte. »Das ist keine Aufgabe für Amateure, wie hochstehend und hochgesinnt sie auch sein mögen. Wir können uns die Kosten von Fehlern einfach nicht leisten. Ein misslungenes Experiment mit den Kräften von Handel und Finanz, die Preisgabe von Gesetzen, denen wir seit Jahrhunderten gehorchen, genügt, und Tausende müssen leiden, bevor wir die Entwicklung umkehren und das verlorene Gleichgewicht wiedergewinnen können.« Er schüttelte weise den Kopf. »Hier wartet auf uns eine weit tiefer reichende Aufgabe als je in unserer Geschichte. Um der Menschen willen, die wir führen und denen wir dienen, können wir uns weder Sentimentalität noch Maßlosigkeit leisten.« Rasch sah er zu Aubrey hin und wandte dann
den Blick wieder ab. »Darauf zu achten ist in erster Linie unsere Pflicht, denn sonst bleibt uns nichts.«
    Aubrey Serracold war bleich, seine Augen glänzten. Er schwieg, mit den Händen Messer und Gabel umklammernd. Ihm war klar, dass es nichts nutzen würde, gegen diesen Redefluss zu argumentieren, und so entgegnete er nichts.
    Einen Augenblick lang sagte niemand etwas, dann sprachen ein halbes Dutzend auf einmal, entschuldigten sich gegenseitig und fingen von vorn an. Als Isadora sie einen nach dem anderen ansah, merkte sie, dass Reginalds Worte sie beeindruckt hatten. Mit einem Mal wirkten Zauber und Ideale weniger leuchtend, weniger vielversprechend.
    »Eine äußerst selbstlose Sichtweise«, sagte Voisey zum Bischof gewandt. »Wenn alle geistigen Führer Ihren Mut besäßen, wüssten wir, wo wir moralische Führung finden könnten.«
    Der Bischof sah ihn an. Sein Gesicht war bleich, seine Brust hob und senkte sich, als falle ihm das Atmen entsetzlich schwer.
    Wieder seine Magenverstimmung, dachte Isadora. Er hat zu viel von der Selleriesuppe gegessen. Er hätte sie stehen lassen sollen; schließlich weiß er, dass sie ihm nicht bekommt. Wenn

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