Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
würdevoll ertragen, erst den Verlust seiner Kinder, dann den seiner Frau. Irgendjemand hat den Zeitungen bereits die Information zugespielt, Pitt habe ihn verdächtigt, Maude Lamont konsultiert und anschließend ermordet zu haben.«
    »Das stimmt nicht!«, sagte Pitt verzweifelt.
    »Das ist jetzt unerheblich«, tat Narraway seinen Einwand ab. »Sie haben festzustellen versucht, wer sich hinter der geheimnisvollen Kartusche verbirgt, und dieser Mann gehörte zu den Verdächtigen. Sie lassen sich auf einen Streit um die Tiefe des Wassers ein, in dem man Sie ersäufen will. Tief genug ist es auf jeden Fall. Welche Rolle spielt es da, ob es drei, fünfzig oder hundert Meter sind?«
    »Wir haben miteinander den Nachmittagstee eingenommen«, sagte Pitt fast wie im Selbstgespräch. »Mit Mirabellenkonfitüre. Da er nicht mehr viel davon hatte, war es ein Freundschaftsbeweis, dass er sie mit mir geteilt hat. Wir haben von Menschen gesprochen, die uns nahe stehen, und davon, wie es ist, wenn man sie verliert. Deshalb hat er geweint.«
    »Ich bezweifle, dass Mistress Cavendish diese Aussage stützen wird«, sagte Narraway. »Außerdem weiß man inzwischen, dass er nicht der geheimnisvolle Mann sein kann, der sich hinter der Kartusche verbirgt. Jemand hat sich gemeldet und gesagt, wo sich Wray am Abend von Maude Lamonts Séance befunden hat – er hat zu später Stunde mit dem Gemeindepfarrer und dessen Frau zu Abend gegessen.«
    »Ich glaube, ich habe Sie bereits gefragt, Mister Narraway,
was Sie zu unternehmen gedenken«, sagte Vespasia ein wenig schärfer.
    Er wandte sich ihr zu. »Mir sind die Hände gebunden, Lady Vespasia. Ich habe keine Möglichkeiten, der Presse Vorschriften zu machen. Die Zeitungen werden drucken, was ihrer Auffassung nach richtig ist: Ein übereifriger Polizeibeamter hat einen unschuldigen alten Mann, der den Verlust seiner Angehörigen beklagte, in den Tod getrieben. Es gibt deutliche Hinweise in diese Richtung, und ich kann sie nicht widerlegen, auch wenn ich von ihrer Richtigkeit nicht überzeugt bin.« In seiner Stimme lag nichts von der gewohnten Sicherheit, nur nackte Verzweiflung. Er sah Pitt an. »Ich hoffe, Sie können Ihre Aufgabe weiterführen, auch wenn es jetzt so aussieht, als ließe sich Voisey den Sieg nicht mehr nehmen. Falls Sie außer Tellman weitere Hilfe brauchen, lassen Sie mich das wissen.« Er hielt inne, sein Gesicht vor Kummer verzogen. »Es tut mir Leid, Pitt. Niemand, der dem Inneren Kreis einen Strich durch die Rechnung macht, kommt dazu, sich seines Sieges zu freuen … so war es zumindest bisher.« Er ging zur Tür. »Auf Wiedersehen, Lady Vespasia. Ich bitte um Entschuldigung für mein Eindringen.« Dann ging er so ungezwungen, wie er gekommen war.
    Pitt war fassungslos. In einer einzigen Viertelstunde war seine Welt zusammengebrochen. Charlotte und die Kinder waren in Sicherheit. Voisey ahnte nicht, wo sie sich befanden, hatte aber möglicherweise auch nie versucht, es herauszubekommen! Er hatte sich auf eine gerissene Weise gerächt, die bloßer Gewalttätigkeit weit überlegen war. Er hatte Pitt vergolten, dass ihn dieser in den Augen der Republikaner unmöglich gemacht hatte. Jetzt war Pitt in den Augen derer, denen er diente und die einst eine hohe Meinung von ihm hatten, selbst unmöglich geworden.
    »Nur Mut, Thomas«, sagte Vespasia aufmunternd, aber ihre Stimme klang brüchig. »Ich weiß, dass es ein schwerer Kampf wird. Aber keinesfalls werden wir aufgeben, sondern tun, was wir können, um zu verhindern, dass das Böse triumphiert.«
    Er sah sie an. Sie wirkte noch zerbrechlicher als sonst, hielt sich aber kerzengerade. Sie straffte die schmalen Schultern,
während Tränen in ihren Augen standen. Unter keinen Umständen durfte er sie enttäuschen.
    »Unbedingt«, gab er ihr Recht, obwohl er nicht die geringste Vorstellung davon hatte, wie er das anstellen und wo er damit beginnen sollte.

Kapitel 12
    D er nächste Vormittag gehörte zu den schlimmsten in Pitts Leben. Irgendwann war er eingeschlafen, dankbar im Bewusstsein, dass zumindest Charlotte mit den Kindern und Gracie in Sicherheit waren. Er erwachte mit einem Lächeln auf den Lippen, da er sie alle vor seinem inneren Auge vor sich sah.
    Dann kehrte die Erinnerung zurück. Francis Wray war tot, möglicherweise von eigener Hand gestorben, allein und verzweifelt. Er sah ihn deutlich vor sich, wie er am Teetisch gesessen hatte und seinen Besucher um Entschuldigung bat, weil er weder Kuchen noch

Weitere Kostenlose Bücher