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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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aufgesucht und den Bewohnern umliegender Häuser eine ganze Reihe von Fragen über Mr. Wrays Privatleben und dessen Ansichten und Verhalten in jüngerer Zeit gestellt. Er bestreitet jeden Zusammenhang mit seinen bisher erfolglos gebliebenen Nachforschungen im Zusammenhang mit der Ermordung von Miss Maude Lamont, einer in der Southampton Row in Bloomsbury wohnhaften Spiritistin.
    Nach seinen letzten Erkundigungen im Dorf suchte Mr. Pitt Mr. Wray in seinem Hause auf, wo eine spätere Besucherin
Mr. Wray im Zustand tiefster Bekümmernis vorfand.
    Am folgenden Morgen entdeckte Mr. Wrays Dienstmädchen, Mary Ann Smith, ihren Herrn tot in seinem Lehnsessel. Ein Abschiedsbrief fand sich nicht, wohl aber war in einem Lyrikband ein Gedicht von Matthew Arnold gekennzeichnet, das man wohl als sein verzweifeltes und tragisches Lebewohl an eine Welt deuten muss, die er nicht länger zu ertragen vermochte.
    Der hinzugezogene Arzt erklärte, der Tod sei durch Gift eingetreten, höchstwahrscheinlich ein Herzgift. Man vermutet, dass es von einer der vielen Pflanzen stammen könnte, die Mr. Wray in seinem Garten zog, denn man weiß, dass er sein Haus nach Mr. Pitts Besuch nicht verlassen hat.
    Francis Wray konnte auf eine herausragende akademische Laufbahn zurückblicken …
    Dann wurden Wrays Leistungen aufgezählt; es folgten Würdigungen durch eine Anzahl im öffentlichen Leben bekannter Menschen, die alle miteinander seinen Tod beklagten und sich von dessen Art und Weise entsetzt zeigten.
    Pitt faltete die Zeitung zusammen und goss sich eine weitere Tasse Tee ein. Er setzte sich wieder, hielt die Tasse zwischen den Händen, und versuchte sich an den Wortlaut dessen zu erinnern, was er den Menschen in Teddington gesagt hatte. Wie war es möglich, dass das Wray so bald zu Ohren gekommen war und ihn so tief verletzt hatte? War er wirklich so uneinfühlsam vorgegangen? Zu Wray hatte er mit Sicherheit nichts gesagt, was ihn kränken konnte. Der Kummer, dessen Zeugin Octavia Cavendish geworden war, hatte Wrays verstorbener Frau gegolten … das aber konnte sie natürlich nicht wissen. Vermutlich war sie unter den Umständen auch nicht bereit gewesen, es zu glauben. Das würde wohl niemand tun. Pitts Schuld wog dadurch, dass sich Wray um den Tod seiner Frau gegrämt hatte, noch schwerer.
    Wie aber konnte er jetzt gegen Voisey vorgehen? Die Wahl stand zu nahe bevor. Aubrey Serracold verlor an Boden, und
Voisey brachte sich mit jeder Stunde in eine günstigere Ausgangsposition. Es war Pitt nicht gelungen, dessen ungestümes Vorandrängen im Geringsten aufzuhalten. Er hatte nur zugesehen und ungefähr so viel Einfluss darauf gehabt wie ein Zuschauer im Theater auf das Stück, das auf der Bühne gespielt wird – er sieht alles, hört alles, hat aber keinerlei Möglichkeit, selbst einzugreifen.
    Er wusste nicht einmal, welcher der drei Besucher Maude Lamont getötet hatte. Nur was das Motiv anging, war er seiner Sache sicher: sie hatte diese Menschen mit ihren Ängsten erpresst. Kingsley fürchtete, dass sein Sohn als Feigling gestorben war, und Rose Serracold quälte sich nach wie vor mit der Frage, ob ihr Vater bei seinem Tode geistig gesund gewesen war. Über die schwache Stelle des Mannes, der sich hinter der Kartusche verbarg, wusste Pitt naturgemäß nichts, denn was er von Rose Serracold und Kingsley erfahren hatte, lieferte ihm nicht den geringsten Hinweis. Das Wissen der Getöteten konnte sich theoretisch auf alles Mögliche beziehen: ein Familiengeheimnis, den Verrat an einem verstorbenen Freund, Kind, Liebhaber, ein Verbrechen, das nicht ans Tageslicht kommen durfte, oder einfach irgendeine Torheit, die ihren Verursacher bloßstellen konnte. Auf jeden Fall musste es etwas sein, für dessen Verschweigen die Menschen bereit waren, einen Preis zu zahlen.
    Vielleicht käme er weiter, wenn er am anderen Ende der Gedankenkette anfing? Wie sah dieser Preis aus? Wenn Voisey dabei die Finger im Spiel hatte, musste es sich um etwas handeln, was ihn in seinem Kampf um die Macht weiterbrachte. Für seine Reden, seinen Wahlkampffonds, die Programmpunkte, die er ansprach, hatte er alles, was er brauchte. Zusätzlich weiterhelfen konnte ihm alles, was dazu beitrug, Serracolds Position zu schwächen. Darauf hatte er Kingsley angesetzt. Die Konservativen, die ihn unterstützten, standen bereits auf seiner Seite; wenn er siegen wollte, musste er Wähler der Liberalen für sich gewinnen, denn nur so konnte er die Machtverhältnisse umkehren.

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