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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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größte Stärke besteht darin, dass sein Kopf stets sein Herz regiert.« Sie sah vor sich hin. »Er hat nicht das geringste Interesse daran, dass du im Sicherheitsdienst tätig bist. Und ihm war bekannt, dass man dich dorthin versetzen würde, wenn man dich erneut aus deinem Amt in der Bow Street entließ. Als Angehöriger der Polizei konntest du nichts gegen ihn unternehmen, solange er sich keines Verbrechens schuldig
machte. Hättest du es aber doch versucht, hätte er dich wegen schikanösen Verhaltens belangen lassen können. Bei deiner Arbeit für den Sicherheitsdienst hingegen sind deine Pflichten weit ungenauer definiert; er arbeitet im Verborgenen und ist der Öffentlichkeit keinerlei Rechenschaft schuldig.« Erneut sah sie ihn an. »Voisey ist nicht so dumm, dass er die goldene Regel vergessen würde: ›Achte immer darauf, dass du deine Feinde im Auge behältst‹.«
    »Warum hätte er es dann aber getan?«, fragte Pitt verwirrt.
    »Und wenn er es gar nicht gewesen wäre?«, entgegnete sie zögernd.
    »Wer denn?«, fragte er. »Wer außer dem Inneren Kreis hätte so viel Macht, dass er Entscheidungen der Königin hinter ihrem Rücken aufheben kann?« Die Vorstellung war beängstigend. Er wusste nicht, wen er sonst gekränkt haben könnte, und mit Sicherheit gab es keine weitere Geheimgesellschaft, deren Fangarme bis ins Herz der Regierung reichten.
    »Wie gründlich hast du über die Hintergründe für Voiseys Erhebung in den Adelsstand nachgedacht und darüber, wie sie sich auf den Inneren Kreis auswirken würde?«, fragte Vespasia.
    »Es war meine Hoffnung, dass er dadurch seine Führungsposition eingebüßt hat«, sagte er aufrichtig. Er versuchte seinen Zorn und seine bittere Enttäuschung herunterzuschlucken. »Es schneidet mir ins Herz zu sehen, dass das nicht der Fall ist.«
    »Nur wenige dieser Männer sind Idealisten«, gab sie betrübt zu. »Aber hast du schon einmal überlegt, dass sich seither die Machtverhältnisse innerhalb des Kreises geändert haben könnten? Möglicherweise ist ein rivalisierender Führer aufgetreten und hat genug Mitglieder des alten Kreises auf seine Seite gezogen, um einen neuen zu gründen.«
    Ein solcher Gedanke war Pitt noch nicht gekommen. Während er ihm Raum gab, sah er allerlei Möglichkeiten vor sich, die nicht nur England, sondern vor allem Voisey gefährlich werden konnten. Bestimmt wusste Voisey, wer dieser Rivale war, aber würde er auch wissen, wem wessen Treue galt?
    Vespasia erkannte all diese Gedanken auf seinem Gesicht.
»Freu dich nicht zu früh«, mahnte sie. »Falls ich Recht habe, ist auch der Rivale mächtig und dir ebenso wenig freundlich gesonnen wie Voisey. Der Satz ›Der Feind meines Feindes ist mein Freund‹ stimmt nicht immer. Wäre es nicht denkbar, dass der Betreffende dich erneut aus dem Amt hat entfernen lassen? Möglicherweise nimmt er an, du könntest Voisey im Sicherheitsdienst nicht nur mehr zusetzen, sondern ihm den Mann unter Umständen im Laufe der Zeit sogar vom Hals schaffen. Oder ihm war daran gelegen zu erreichen, dass Oberinspektor Wetron statt deiner Leiter der Wache in der Bow Street wurde.«
    »Du meinst, Wetron könnte dem Inneren Kreis angehören?«
    »Warum nicht?«
    In der Tat sprach nichts dagegen. Je mehr er darüber nachdachte, desto deutlicher zeichnete sich die Wahrscheinlichkeit ab, dass Vespasia Recht hatte. Das Blut pochte in seinen Schläfen, als die Kampfeslust angesichts der Gefahr in ihm erwachte, doch empfand er auch Furcht. Eine offene Auseinandersetzung zwischen den beiden Führern des Inneren Kreises konnte viele weitere Opfer fordern.
    Noch während er über die möglichen Folgen einer solchen Konstellation nachdachte, erschien das Mädchen aufgeregt an der Tür.
    »Ja?«, fragte Vespasia.
    »Gnä’ Frau, draußen ist ein Mister Narraway, der Mister Pitt sprechen möchte. Er hat gesagt, dass er gern wartet, ich es Ihnen aber auf jeden Fall sofort sagen soll.« Ohne dass sie sich mit Worten entschuldigte, war ihre Verlegenheit an ihren Bewegungen und ihrer Stimme zu erkennen.
    »Tatsächlich?« Vespasia setzte sich sehr aufrecht hin. »Dann sollten Sie ihn besser hereinbitten.«
    »Sehr wohl, gnä’ Frau.« Sie deutete einen Knicks an und ging hinaus.
    Pitt sah zu Vespasia hin. Hundert wilde Gedanken zuckten zwischen ihnen hin und her, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Gleich darauf erschien Narraway. Sein Gesicht war bleich, er wirkte gequält und niedergeschlagen. Obwohl er aufrecht stand,

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