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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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nichts gegessen hatte. »Nein … eine ganze Weile nicht.« Er ließ sich Cornwallis gegenüber in einen Sessel sinken. »Brot und Käse wären mir recht … oder vielleicht
ein Stück Kuchen, falls Sie welchen im Hause haben.« Er aß gern, was Gracie buk, aber die Vorratsdosen zu Hause waren leer, da sie angenommen hatte, sie würden alle miteinander verreisen.
    »Bringen Sie Mister Pitt Brot und Käse«, wies Cornwallis den Diener an. »Außerdem Apfelwein und ein Stück Kuchen.« Er sah erneut auf seinen unerwarteten Besucher. »Oder wäre Ihnen Tee lieber?«
    »Apfelwein ist großartig«, sagte Pitt, der es genoss, in einem weichen Sessel zu sitzen.
    Der Diener verschwand und schloss die Tür hinter sich.
    »Nun?«, fragte Cornwallis, der wieder Platz genommen hatte, mit besorgter Miene. Er sah nicht unbedingt gut aus, aber seine kraftvollen, gleichmäßigen Züge gewannen um so mehr, je länger man ihn ansah. Er bewegte sich mit der Sicherheit eines Mannes, der viele Jahre lang auf See lediglich auf dem Achterdeck hatte auf und ab schreiten können.
    »Im Zusammenhang mit einem der Unterhaussitze ist es zu einer Entwicklung gekommen, die ich in Narraways Auftrag  … im Auge behalten soll.« Er sah den Zorn auf Cornwallis’ Gesicht. Offenbar hielt dieser es für ungerecht, dass sich Narraway über Pitts Urlaubsanspruch hinweggesetzt hatte. Als hätte es nicht genügt, dass er seines Postens enthoben worden war, damit der Innere Kreis sein Rachebedürfnis befriedigen konnte. Nichts von dem, was früher als unumstößliche Tatsache gegolten hatte, hatte Bestand – weder für Cornwallis noch für Pitt.
    Cornwallis fragte nicht weiter nach. Er war an das einsame Leben eines Kapitäns gewöhnt, der sich zwar anhören musste, was ihm seine Offiziere sagten, es aber nicht nötig hatte, selbst Erklärungen abzugeben oder Gefühle zu zeigen. Es genügte, dass sie in den praktischen Dingen des Alltags einer Meinung waren. Wenn es darauf ankam, war er stets allein und musste so weit wie möglich dem Bild entsprechen, das man von ihm hatte: ein Mann, der nie Furcht empfand, sich nie einsam fühlte, nie zweifelte. Diese Disziplin, die er sich ein Leben lang anerzogen hatte, konnte er jetzt nicht durchbrechen. Sie war so sehr Bestandteil seiner Persönlichkeit
geworden, dass er sich dessen gar nicht mehr bewusst war.
    Der Diener brachte auf einem Tablett Brot, Käse, Apfelwein und Kuchen, wofür ihm Pitt dankte. Mit den Worten »Es ist mir ein Vergnügen, Sir«, verbeugte er sich und zog sich zurück.
    »Was wissen Sie über Charles Voisey?«, fragte Pitt, während er eine Scheibe Brot mit Butter bestrich und sich ein ordentliches Stück von dem leicht krümeligen Caerphilly-Käse abschnitt. Hungrig biss er hinein. Der leicht scharfe Käsegeschmack war ihm willkommen.
    Ohne zu fragen, warum Pitt das wissen wollte, presste Cornwallis die Lippen aufeinander. »Nur, was allgemein bekannt ist«, gab er zur Antwort. »War in Harrow im Internat, hat in Oxford studiert und ist dann Strafverteidiger geworden. Hat als glänzender Anwalt viel Geld verdient, vor allem aber, was sicher sehr viel mehr wert ist, in den richtigen Kreisen Freunde gewonnen, sich allerdings zweifellos auch eine Reihe von Feinden gemacht. Später hat man ihn zum Richter berufen und bald darauf ans Appellationsgericht. Er weiß, wie man Gelegenheiten ergreift und den Anschein erweckt, mutig zu sein, und keiner seiner Fehler war so schlimm, dass er darüber gestolpert wäre.«
    All das hatte Pitt auch schon früher gehört, doch war es ihm recht, es in so knapper Form zusammengefasst zu bekommen.
    »Er ist unermesslich stolz«, fuhr Cornwallis fort. »Doch gelingt es ihm im Alltag, das zu verbergen oder zumindest als nicht so gravierend erscheinen zu lassen.«
    »Damit er nicht verwundbar wirkt«, sagte Pitt sofort.
    Cornwallis entging nicht, worauf er damit hinaus wollte. »Suchen Sie nach einer schwachen Stelle?«
    Es kostete Pitt Mühe, daran zu denken, dass Cornwallis mit Ausnahme der Gerichtsverhandlung gegen Adinett am Anfang und Voiseys Erhebung in den Adelsstand am Ende nicht viel von der ganzen Angelegenheit um die Verschwörung von Whitechapel wusste. Er kannte zahllose Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Inneren Kreis nicht, und es war für seine eigene Sicherheit besser, dass er sie nie erfuhr. Zumindest das war ihm Pitt schuldig, schließlich hatte er in der Vergangenheit
stets treu zu ihm gestanden und war ihm freundschaftlich

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