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Feinde der Krone

Feinde der Krone

Titel: Feinde der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Sie gab ihm keine Gelegenheit, ihn zu sagen, sondern rauschte aus dem Zimmer. Das Mädchen würde die beiden hinausbegleiten.
     
     
    Weder Pitt noch Tellman sagten etwas, nachdem sie das Haus Serracold verlassen hatten. Pitt spürte, dass Tellman nicht so recht wusste, was er denken sollte, und so ging es auch ihm. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ein Mann, der sich um ein Amt bewarb, bei dem er unter Umständen in eine der mächtigsten Positionen des Landes gelangen konnte, mit einer so überspannten Frau verheiratet war. Sie war von nahezu kränkendem Hochmut, doch zugleich von einer Offenheit, die er bewunderte. Ihre Ansichten waren zwar naiv, gingen aber auf eine idealistische Grundhaltung und den Wunsch nach einer Toleranz zurück, die zu genießen ihm selbst verwehrt geblieben war.
    Vor allem aber war sie verletzlich. Sie hatte sich so sehnlich etwas von Maude Lamont erhofft, dass sie immer wieder zu ihren Sitzungen gegangen war, obwohl sie wusste, welchen politischen Preis das ihren Mann kosten konnte, wenn es bekannt wurde. Er dachte an das Haar am Ärmel der Toten. Mrs. Serracolds lange, aschblonde Haare konnten alles oder nichts bedeuten.
    »Versuchen Sie mehr über die Art festzustellen, wie Maude Lamont an ihre Klienten gelangte«, bat er Tellman, während sie kräftig ausschritten. »Wie viel hat sie für ihre Sitzungen berechnet? War es bei allen der gleiche Betrag? Und hätte sie mit diesen Einnahmen ihren Lebensstil finanzieren können?«
    »Sie denken an Erpressung?«, fragte Tellman mit unverhülltem Abscheu. »Es ist doch lachhaft, auf solchen … solchen blühenden Unsinn hereinzufallen. Aber viele Leute haben das offenbar getan! Lohnt es sich, dafür zu zahlen, dass das nicht bekannt wird?«
    »Das kommt darauf an, was sie herausbekommen hat«, gab Pitt zur Antwort, während er beim Überqueren der Straße darauf achtete, einem Haufen Pferdeäpfel auszuweichen. »Im Leben der meisten von uns gibt es etwas, was kein anderer erfahren soll. Das braucht gar kein Verbrechen zu sein, vielleicht ist es einfach eine Schwäche, von der wir nicht wollen, dass andere sie ausnutzen können, oder etwas anderes, was nicht bekannt werden soll. Niemand steht gern wie ein Dummkopf da.«
    Tellman hielt den Blick starr geradeaus gerichtet. »Wer zu einer Frau geht, die Eiweiß herauswürgt und behauptet, dass es sich um eine Botschaft aus der Geisterwelt handelt, und das auch noch glaubt, ist in meinen Augen ein Dummkopf«, sagte er. Die Heftigkeit seiner Äußerung entsprang einem Mitgefühl, das er sich selbst nicht eingestehen wollte. »Aber ich werde herausbringen, was ich kann. Vor allem will ich wissen, wie sie das gemacht hat!«
    Kaum dass sie den Gehweg auf der gegenüberliegenden Seite erreicht hatten, raste eine vierrädrige Droschke haarscharf an ihnen vorbei.
    »Ich nehme an, es handelt sich um eine Mischung aus irgendwelchen mechanischen Tricks, Taschenspielerei und einer natürlichen Gabe, anderen etwas vorzugaukeln«, sagte Pitt und hielt an der nächsten Ecke an, um einen Vierspänner passieren zu lassen. »Vermutlich wissen Sie aus dem Autopsiebericht, dass es sich um Eiweiß handelte?«, fragte er sarkastisch.
    Tellman knurrte. »Und Käseleinen«, ergänzte er. »Sie ist daran erstickt, weil es in ihrer Kehle und ihrer Lunge saß – die Ärmste.«
    »Gibt es sonst noch etwas, was Sie mir nicht gesagt haben?«
    Tellman sah ihn giftig an. »Nein! Sie war gesund, etwa sieben- oder achtunddreißig Jahre alt und ist erstickt. Die Blutergüsse haben Sie ja selbst gesehen. Mehr gibt es nicht.« Wieder knurrte er. »Es ist meine Absicht, Dinge herauszubekommen, von denen niemand will, dass sie bekannt werden. War sie klug genug, durch Raten Schlüsse aus dem zu ziehen, was die Menschen von ihr wissen wollten? Zum Beispiel aus Fragen wie: Wo hat Onkel Ernie sein Testament versteckt?
Oder: Hatte mein Vater tatsächlich ein Verhältnis mit der jungen Frau im Haus gegenüber? Was auch immer!«
    »Ich vermute, wer bei Gesellschaften aufmerksam zuhört«, sagte Pitt, »die Menschen beobachtet, hier und da eine Frage stellt und ein bisschen nachhakt, erfährt sicher eine ganze Menge. Den Rest haben vermutlich die Leute selbst durch die Schlussfolgerungen aus dem geliefert, was sie ihnen gesagt hat. Ein Schuldiger verrät sich nicht nur, wenn er wirklich bedroht wird, sondern auch dann, wenn er sich das nur einbildet. Sie haben doch schon oft genug erlebt, wie sich Menschen selbst ans Messer lieferten,

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