Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
nie eng mit irgendwem befreundet. Aber ich glaube auch nicht, dass du ein Arschloch bist oder ein Spieler. Es gab lediglich eine Menge Grenzen, die du nicht überschreiten wolltest.«
Sie hatte recht. Adam war wahrscheinlich der Einzige, der je so etwas wie ein echter bester Freund für mich gewesen war. Aber auch ihm hatte ich nicht allzu viel von mir erzählt, bevor all diese schlimmen Dinge passiert waren.
Bevor ich im Jahr 2007 steckengeblieben war.
»Wir sind nicht gut darin, mit anderen befreundet zu sein«, wiederholte ich und begriff es erst richtig, als ich die Worte laut aussprach.
»Ja. Aber das hab ich nicht etwa begriffen, indem ich tief in mich gegangen wäre oder irgend so was. Ich hab’s kapiert, nachdem ich Blondies Tagebuch gelesen hatte.« Sie lachte mit geschlossenen Augen auf. »Ich hatte es echt auch mit dir vor. Ich wollte dich erst ganz heiß machen und dir dann eine Abfuhr erteilen.«
Wenn ich noch die Energie dazu gehabt hätte, hätte ich sie aus dem Bett geworfen. Stattdessen stimmte ich in ihr Lachen ein. »Wie ich schon sagte: Du bist ein fieses Miststück.«
»Aber du hast mich völlig aus dem Konzept gebracht, weil du mich unbedingt zum Reden bringen wolltest. Da musste ich dich auf andere Gedanken bringen.«
Ich lachte noch mehr. »O Gott, sind wir fertige Typen. Vor allem du. Aber mal im Ernst: Das ist eine Technik, die ich schon häufig angewendet habe. Küssen statt reden.«
»Du hast ihr nie erzählt, dass du sie geliebt hast«, sagte Stewart. »Bedeutet das, dass es besser gewesen wäre, wenn ihr Freunde geblieben wärt?«
Ich antwortete, ohne zu zögern: »Ich wollte nie mit Holly befreundet sein. Und ich habe ihr gesagt, dass ich sie liebe. Irgendwann dann doch.«
»Und? Hast du es ernst gemeint?«
Ich ließ meine Augen zufallen. »Ja, ich hab’s ernst gemeint.«
»Ist es denn die Mühe wert?«, murmelte sie weitaus weniger verständlich als noch wenige Sekunden zuvor.
Ich seufzte und kämpfte gegen das Gefühl der Leere an, das mich während der letzten Monate permanent begleitet hatte. Die Frage war schwierig, da ich sie im Kopf sofort in die Frage War Holly die Mühe wert? übersetzte. Die ich ohne Einschränkung mit Ja beantwortete. Für Holly ertrug ich jedes Leid; sie war es unbedingt wert. Aber ich wusste, dass Stewart weder nach Holly noch nach einer anderen konkreten Person fragte. Ihr ging’s ums Prinzip. Ich konnte mir nur vorstellen, wie viel leichter dieser Job wäre, wenn der sorglose Jackson in die CIA eingetreten wäre, der eigentlich mit nichts und niemand was zu tun hatte. Dass ich mich verliebt hatte, war mein Ruin gewesen. Sowohl äußerlich als auch innerlich. Es machte alles in meinem Leben komplizierter, und ich konnte es nie mehr ungeschehen machen. Niemals. Ich konnte Hollys Erinnerung daran auslöschen, dass sie mit mir zusammen gewesen war, konnte mich immer und immer wieder aus dieser Beziehung ausradieren, aber was diese Liebe mit mir selbst gemacht hatte, würde ich niemals mehr rückgängig machen können.
»Nein, ist es nicht«, antwortete ich schließlich. »Nicht für Leute wie uns.«
»Dachte ich mir«, murmelte sie. »Und das hier nennt man übrigens Fortschritt, mein Freund.«
»Wir sind also nicht mehr ganz so schlecht darin wie früher.« Ich grinste in mich hinein, bevor ich langsam in den Schlaf driftete. Stewart war der allerletzte Mensch, von dem ich je erwartet hätte, dass er die Lücke ausfüllen könnte, die Adam hinterlassen hat. »Adam … und Mason«, murmelte ich, bevor ich einschlief. »Ich werde das alles reparieren. Und wenn es mich krank macht.« Oder Schlimmeres. »Ich sorge dafür, dass Dr. Melvin mir erklärt, wie es geht.«
19. Juni 2009, 22:49 Uhr
»Rate mal, wer uns beschattet«, flüsterte Stewart mir zu, ohne sich umzusehen.
Ich schaute über meine Schulter. Nur den Bruchteil einer Sekunde lang. Und sah einen blonden Pferdeschwanz, der aus dem Eingang zu einem Musikladen auf der Fifth Avenue herausragte. »Wenigstens wissen wir jetzt, dass es ihr gutgeht.«
»Hast du was anderes erwartet?«, fragte Stewart. »Sie ist eine ausgebildete Agentin. Das hat doch sicher was zu bedeuten.«
»Ich weiß.« Was ich wirklich hasste, und zwar mehr als alles andere, war, dass ich Holly physisch so nah war und wir uns trotzdem ferner denn je waren. Denn wir waren Feinde. Und Feinde waren wir nie gewesen. Da wäre es mir weitaus lieber gewesen, wir hätten uns gar nicht gekannt. Dieser Gedanke nagte
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