Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
auffliegen lassen. Und dann die quälend lange Fahrt mit dem Aufzug ins oberste Stockwerk.
»Dad!«, rief ich, während Stewart schon an mir vorbei auf die Küche zusteuerte.
Zwei Sekunden bevor ich das Wohnzimmer betrat, verlangsamte ich unwillkürlich meine Schritte. Ich konnte die abgestandene Leere, die dort herrschte, förmlich riechen. Panik und Trauer stiegen in mir hoch, und ich wartete schweigend, bis Stewart aus der Küche zurückkehrte. Ein Blick in ihr Gesicht war Auskunft genug.
»Verdammt!«, fluchte ich leise, während meine Panik sich in Wut verwandelte. Warum konnte nicht mal irgendetwas gutgehen? Ich nahm mein Handy und schrieb eine SMS an Healy.
Er ist nicht hier? Dann schleuderte ich das Telefon quer durchs Zimmer. Sein Aufprall an der Wand zerriss die Stille. Ich erwartete, dass Stewart noch verärgerter reagierte als ich, doch sie sank einfach aufs Sofa und zog die Knie an die Brust.
Wenn ich nicht bald irgendetwas Produktives tun konnte, würden diese Worte immer weiter in meinem Kopf widerhallen: Dr. Melvin ist tot .
Mein Blick fiel auf die lange schwarze Klavierbank. Ich ging hin, klappte sie auf, wühlte mich durch Unmengen von Notenblättern und verteilte sie überall auf dem Fußboden.
»Jackson?« Stewart sah mich fragend an.
»Er hat früher auch oft Hinweise oder Spuren für uns hinterlassen. Vielleicht haben wir seine kleine Schnitzeljagd nur noch nicht entdeckt.« Ich war bereits auf dem Weg in Dads Zimmer, als ich sie hinter mir seufzen hörte. Dann folgte sie mir.
Dass ich Dads begehbaren Schrank durchsuchte, hatte definitiv etwas Übertriebenes, doch Stewart war so schlau, mein sinnloses Herumgewühle nicht zu kommentieren, was ich ihr hoch anrechnete. Es dauerte ungefähr eine Stunde, bis ich alles herausgenommen und mit dem Kennerblick eines Agenten gründlich untersucht hatte. Als ich schließlich aufgab, schaute Stewart gerade eine kleine Fotokiste durch.
Ich lehnte mich gegen die Wand des nun leeren Schrankraums, schloss die Augen und versuchte, irgendeine Verbindung zwischen den jüngsten Ereignissen zu erkennen, irgendetwas, das mir helfen konnte, Dad zu finden. Zuerst bemerkte ich das Rumpeln hinter mir gar nicht, doch genau in dem Moment, als ich die Augen wieder aufschlug, tat sich unter mir buchstäblich der Boden auf.
»Hilfe, was ist das denn!« Ich rettete mich mit einem großen Satz vor der größer werdenden Öffnung im Boden, drehte mich dann um und traute meinen Augen kaum. »Ich schwöre, dass ich das noch nie gesehen habe.«
»Aber was zur Hölle ist es denn?«, fragte Stewart und blickte über meine Schulter. »Hast du irgendwo draufgedrückt oder irgendeinen Mechanismus ausgelöst?«
»Nein, ich hab einfach nur an der Wand gelehnt.« Ich ließ mich auf alle viere hinab und spähte in das Loch. Eine Strickleiter führte nach unten, aber wohin, konnte ich nicht erkennen.
»Was ist das für ein Raum? Wie konnten wir so einen Spalt im Boden denn übersehen? Es muss doch irgendwas an dem Teppichboden darauf hingewiesen haben, dass hier eine Öffnung ist.«
»Vielleicht war er früher für unsere Bodyguards. Für die Leute, die auf Courtney und mich aufgepasst haben. Eine Art Überwachungsraum.«
»Du vergisst, dass ich zwei Jahre dazugehört habe«, entgegnete Stewart. »Meinst du nicht, dass ich dann davon gehört hätte?«
Ich wies mit dem Kinn auf die Leiter und spürte, wie mich eine Aufregung befiel, die mir als Ablenkung nur allzu willkommen war. »Wollen wir mal nachsehen?«
Stewart biss sich auf die Unterlippe und schaute sich nervös um. »Healy hat uns gesagt, wir sollen hier warten. Er kann jeden Moment zur Tür reinkommen.«
»Dann beeilen wir uns besser«, sagte ich, setzte einen Fuß auf die Leiter und machte mich an den Abstieg. Und wie erwartet folgte sie mir.
Die Leiter führte in einen dunklen Raum. Dieses geheime Zimmer war offenkundig mit dem Boden darüber verbunden, aber gab es auch eine Eingangstür? Meine Füße landeten auf etwas, das sich wie Teppichboden anfühlte, und Sekunden später kam auch Stewart unten an. Wir tasteten nach einem Lichtschalter. Dabei stieß ich gegen ein Möbelstück und hörte, wie eine darauf stehende Lampe gefährlich ins Schwanken geriet. Ich hielt sie fest und knipste sie an. Vor mir standen ein sorgfältig mit einer dunkelblauen Tagesdecke überzogenes Doppelbett und direkt daneben der Nachttisch, gegen den ich gelaufen war.
Der Raum war ungefähr halb so groß wie die kleine
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