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Feinde der Zeit: Roman (German Edition)

Feinde der Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Feinde der Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cross
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permanent an mir; er war wie ein Virus, der mein Blut infizierte und meine Eingeweide zersetzte. Holly, meine Feindin. Diesen Gedanken ertrug ich einfach nicht. Und was noch schlimmer war: Stewart, Kendrick und ich hatten unsere Nachforschungen aufschieben müssen, um den ganzen Tag lang dringende Arbeit für Healy und Freeman zu erledigen. Bis jetzt.
    Wir bogen um eine Ecke, und Stewart blieb stehen. Dann lehnte sie sich an die Mauer neben ihr und fummelte am Innenfutter ihrer Jacke herum. »Sie hat aufgehört, uns zu beschatten, und telefoniert gerade.«
    »Woher weißt du –«
    Ich wurde von Hollys Stimme unterbrochen, die ich in meinem Ohr hörte. »Du hast ihr Telefon angezapft?«
    »Nicht schlecht, oder?«, gab Stewart grinsend zurück. Sie ging weiter, damit Holly nicht misstrauisch wurde.
    »Es tut mir leid, Mom. Ich hätte dir sagen sollen, dass ich den Job geschmissen habe«, sagte Holly. »Ich musste so viel für meine Sommerkurse lernen.«
    »Du hast seit über einem Monat kein Geld mehr von den Ferienspielen bekommen«, hörte ich Katherine Flynn laut und deutlich in meinem Ohr. »Wann hattest du denn vor, es mir zu sagen?«
    »Tut mir leid«, sagte Holly frustriert. »Können wir vielleicht später weiterreden?«
    »Wann denn?«, beharrte Katherine. »Es ist fast elf. Wo bist du?«
    »Unterwegs«, antwortete Holly entschieden. »Um Mitternacht bin ich zu Hause, okay?«
    Das Gespräch endete abrupt. Stewart schüttelte den Kopf und warf mir einen Seitenblick zu. »Ich glaube, bei uns muss sich keiner mit Eltern rumschlagen, die Zivilisten sind. Ich hatte mir gar nicht klargemacht, was das für Probleme mit sich bringt.«
    »Ja, da haben wir Glück«, murmelte ich leise, doch dann fiel mir die versteinerte Miene wieder ein, mit der Holly in meinem Apartment gestanden und erwartet hatte, dass ich sie angreife. Sie hatte mich praktisch angefleht, sie mit ihrer Mutter telefonieren zu lassen.
    Stewart war davon überzeugt, dass das eine Art Code war, mit dem sie ihrem Team anzeigte, dass sie in Not war, aber im Augenblick war ich mir nicht mehr sicher, ob ich diese Einschätzung teilte.
    Während des restlichen Wegs zum Medizinischen Zentrum der New York University schwiegen wir. Stewart wirkte nervös wegen des kühnen Schrittes, den wir im Begriff waren zu wagen. Als wir im Aufzug standen, kaute sie an ihren Fingernägeln.
    »Wir packen das schon. Denk einfach an den Plan. Wir geben ihm immer nur so viele Informationen, dass er weiterfragt, um mehr rauszukriegen«, flüsterte ich, während meine Hand schon über dem Türknopf zu Dr. Melvins Büro schwebte.
    »Und verrat ihm nicht, dass du in diesen Supersprüngen eine totale Null bist«, zischte Stewart, während ich leise anklopfte. »Das ist besser als jede Waffe, die wir auf ihn richten.«
    Dr. Melvin reagierte nicht, aber unter seiner Tür schien Licht hindurch. Als ich die Tür zu öffnen versuchte, ging sie sofort auf. Das Erste, was ich beim Eintreten in das Büro sah, waren die quer über die hintere Wand gesprühten riesigen roten Schriftzeichen.
    »Das ist Japanisch«, murmelte Stewart. »Was bedeutet es?«
    Ich schaute mir die Zeichen genau an, bevor ich antwortete: »Eyewall.«
    Kaum hatte ich dieses Wort ausgesprochen, hörte ich Stewart neben mir nach Luft schnappen. »O Gott!«
    Meine Panik verdoppelte sich, als mein Blick in die linke Raumseite fiel. Dr. Melvin lag mit weit aufgerissenen Augen hingestreckt auf dem Boden, seine Haut war so grau wie der Himmel. O nein, das darf nicht sein. Er darf nicht …
    Stewart war schon neben ihm und tastete nach seinem Puls.
    »Er ist tot«, brachte sie krächzend hervor. »Melvin ist tot.«

21
    19. Juni 2009, 23:12 Uhr
    Das Rauschen in meinen Ohren erstickte jedes andere Geräusch. Stewarts Mund bewegte sich. Sie sagte irgendwas zu mir, aber ich hatte keine Ahnung, was. Mein Blick irrte zwischen der roten Schrift an der Wand und dem alten Mann hin und her, der kalt und tot auf dem Fußboden lag.
    Schließlich verpasste sie mir einen Tritt gegen das Schienbein, und ich erwachte aus meiner Trance. Ich ging zur Tür und schloss ab. »Was machen wir denn jetzt?«, fragte ich.
    Sie hatte sich wiederaufgerichtet, doch die Panik in ihrem Blick verriet mir, dass sie ebenso wenig wusste, was jetzt zu tun war. Thomas hatte mich ganz richtig eingeschätzt. Emotionen beeinträchtigten mein Urteilsvermögen und verhinderten, dass ich mich ganz auf eine Aufgabe konzentrierte. Doch Stewart war bei weitem die

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