Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
bekam ich selbst nur einen ab. Schon jetzt spürte ich, wie sich an meinem Wangenknochen ein Bluterguss bildete.
Kendrick wirbelte herum und blickte nach rechts und links; jetzt, wo wir ein paar von ihnen überwältigt hatten, wusste sie nicht so recht, was sie als Nächstes tun sollte. Ich packte sie hinten an ihrem T-Shirt und schubste sie auf die einzige Lücke zwischen den Gestalten zu, die uns umstellt hatten.
»Renn weg!« Die Worte hatten kaum meinen Mund verlassen, als ich den Lauf einer Waffe im Rücken spürte. Die blinden Flecken in meinem Sichtfeld verschwanden, und ich erblickte den vor mir auf dem Boden liegenden Mann ebenso wie die anderen vier, die sich widerstrebend erhoben.
Ich erkannte jeden Einzelnen von ihnen. Es waren Feinde der Zeit, doch nicht alle von ihnen waren Männer. Ihre Gesichter hatten sich in mein Gedächtnis eingebrannt, aber in diesem Moment zählte nur einer: Thomas. Ich spürte, dass er hinter mir stand.
»Hände hoch, Junge, ihr seid in der Unterzahl!«, rief einer der Männer neben mir. Trotz der Probleme mit meinen Augen fielen mir sofort seine roten Haare auf. Raymond, der Typ mit dem Schuhabdruck im Gesicht? Er sah aus wie Raymond, aber sollte der nicht tot sein?
Ich hob langsam die Hände. Kendrick drehte sich um und zog für den Bruchteil einer Sekunde die Augenbrauen hoch. Ich schüttelte den Kopf, doch umsonst. Sie zog ihre Pistole hinten aus dem Hosenbund und richtete sie auf den Mann, der mich bedrohte.
»Lassen Sie Ihre Waffe fallen!«, sagte sie mit leicht bebender Stimme.
»Ja, das könnte ich tun«, antwortete der Mann hinter mir; schon allein der Klang seiner Stimme ließ mein Herz rasen. Es war tatsächlich Thomas. Jetzt hatte ich nur noch einen Gedanken: Ich wollte zurück auf diesen Berg und ihn von dort hinunterstoßen. »Ich könnte aber auch mit deinem Freund hier verschwinden. Und ich glaube, du weißt, wie ich das meine.«
O Gott, sie sind es wirklich. Ich hielt die Luft an, dann sagte ich möglichst ruhig: »Lasst sie gehen.«
»Tut mir leid, aber das darf ich nicht«, sagte die Frau, die wie Rena aussah.
War die nicht auch tot?
Außerdem fiel mir auf, dass niemand von den anderen seine Waffe gezogen hatte. Was bedeutete, dass sie vielleicht gar keine bei sich trugen. Ich zählte leise bis drei, während ich meine nächste Bewegung sorgfältig plante, dann trat ich mit voller Wucht mit der Ferse gegen Thomas’ Knie. Zeitgleich verdrehte ich sein Handgelenk, so dass seine Waffe nun nach oben zeigte. Wie erwartet, löste sich ein Schuss. Zwei Sekunden später hatte ich Thomas auf den Rücken geworfen; mein Fuß stand auf seiner Kehle und drückte ihm die Luft ab.
»Lauf weg!«, rief ich Kendrick, ohne aufzublicken, zu. Zuerst hörte ich nur ein Schlurfen, so als zögerte sie, dann rannte sie los. Doch bereits nach zehn Metern brach sie auf dem Rasen zusammen und hielt sich schreiend den Kopf.
Ich konnte ihr nicht helfen, ohne zuvor alle um mich herum auszuschalten, den Feind unter meinem Fuß eingeschlossen.
Seine Gesichtszüge verschwammen mir vor den Augen, bis ich sie schließlich scharfstellen konnte. Ja, er war es definitiv. Das war Thomas. Er sah ein bisschen anders aus, aber fast gleich. Vielleicht war er jetzt älter? So oder so kochte das Blut in meinen Adern, und in meinem Finger auf dem Abzug pochte der Puls. »Ich hätte dich schon beim ersten Mal nicht entwischen lassen sollen.«
In rasendem Tempo flackerten Erinnerungsbilder durch meinen Kopf: Die Ungerührtheit, mit der Thomas Holly über den Rand des Hoteldachs gehalten hatte. Ihr Schrei gellte erneut in meinen Ohren; er war das Einzige, was ich außer dem Rauschen des Blutes in meinen Adern hören konnte. Ich darf ihn nicht wieder entwischen lassen.
Er muss sterben.
»Jackson!«
Der ohrenbetäubende Schrei in meinem Kopf wurde um ein paar Dezibel leiser, und die Wut in meinen Fingerspitzen ließ etwas nach.
»Stoppt ihn!«, rief jemand.
»Jackson!« Eine vertraute Stimme.
Meine Anspannung löste sich ein wenig. »Dad?«
Ich schüttelte den Kopf und versuchte mich auf die Person zu konzentrieren, die gerade mit mir gesprochen hatte. Sie klang wie Dad, doch sie sah nicht aus wie er. Sie kam auf mich zu, legte eine Hand auf die Waffe, die ich jetzt nur noch lose festhielt, und flüsterte mir ins Ohr: »Das ist nur ein Test. Mit Memogas. Alles, was du hier siehst, ist dadurch verändert.«
»Aber –«, stotterte ich. »Ich dachte –«
Starke Hände legten sich auf
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