Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
sondern sprang auf und rannte in die Richtung, in die Holly eben weggeführt worden war. Die erste Tür rechts führte in eine Art Konferenzraum, der hell erleuchtet war.
Das erste Gesicht, das ich erkannte, gehörte Mason Sterling. Mason. Er sah genauso aus wie bei unserer letzten Begegnung. Ich schnappte laut nach Luft. Doch als ich die Person neben ihm erblickte, stockte mir der Atem, und ich vergaß, was ich sagen und tun wollte.
»Courtney? Wie …?« Sie sah genauso aus wie damals, als ich sie im Central Park getroffen hatte. Sie war wahrscheinlich vierzehn. Ich ging zu ihr und legte ihr meine Hände auf die Schultern. Bei unserem letzten Zusammentreffen hatte sie gerade ihren letzten Atemzug getan, und jetzt war sie plötzlich wieder quicklebendig. »Courtney! Ich glaube es einfach nicht!«
»O Mann, das wird ja immer verrückter!«, rief sie und betrachtete mein Gesicht, das ganz bestimmt viel älter aussah, als sie es in Erinnerung hatte.
»Jackson, es tut mir leid, ich wusste nicht –«
Ich wandte meinen Kopf in die Richtung, aus der die tränenerstickte, flehende junge Stimme kam. Emily. Sie war klein und dünn, genau wie die Version, die ich heute Morgen gesehen hatte. »Was machst du hier? Welche Zeit ist das für dich?«
Ich hockte mich vor sie hin. »Es ist derselbe Tag, glaube ich«, sagte sie. »Ich hab dein Tagebuch gelesen und dachte … Aber dann erfuhr ich, dass du hier bist.«
Die Kassette, unsere übereinstimmenden Fingerabdrücke. Emily hatte sie öffnen können, während ich mit Holly in der Bibliothek gewesen war. Wahrscheinlich hatte sie all die Dinge gelesen, die ich mit Hilfe der Thomas-Sprünge korrigieren wollte. Und bestimmt konnte sie das besser als ich.
»Verdammt!«, rief Mason und warf die Hände in die Luft. »Ich bin tot, oder? Was für ein verfluchter Mist! Ich hab’s gleich gewusst, als du mich angesehen hast, als wäre ich ein Geist. Sogar die hat mich so angesehen!« Er deutete auf jemanden rechts hinter mir.
Ich schaute mich noch einmal im Raum um. Holly stand mit dem Rücken in einer Ecke. »Wo ist der Typ, der dich hierhergebracht hat?«, fragte ich sie.
»O nein, du hast kein Recht, mir Fragen zu stellen. Du nicht! Was zur Hölle geht hier vor?«
»Wir müssen meinen Dad aus der Zukunft retten«, antwortete Courtney ihr.
»Woher weißt du …?«
»Ich hab ihr gesagt, dass er vermisst wird«, sagte Emily. »Sie kann uns, glaube ich, helfen.« Aber plötzlich erfüllte Panik ihr Gesicht. »Ich wusste vorher nicht, wo er war, Jackson, das schwöre ich! So was würde ich dir niemals verschweigen!«
»In Ordnung«, erwiderte ich und stand langsam auf. »Meinst du, Courtney und ich sind zu viel für dich? Von welcher Distanz reden wir überhaupt?«
Emily biss sich auf die Unterlippe. »Das ist nicht weit von da, wo ich herkomme.«
Ich schluckte. Mir wurde bewusst, dass Courtney neben mir saß und mir ins Gesicht schaute. »O mein Gott, du siehst so anders aus; aber irgendwie auch wieder nicht.«
Ich legte meine Hände auf ihre. »Ich kann nicht fassen, dass du hier bist. Ich bin zwar schon durch die Zeit gesprungen, um dich zu besuchen, aber das war was anderes. Ich hab nichts verändert.«
»Also, wer wird mich umbringen?« Sie versuchte, sarkastisch zu klingen, aber mir entging das Beben in ihrer Stimme nicht. »Komm schon, Jackson. Du guckst mich auch so an, als wäre ich ein Gespenst.«
Ich starrte sie nur an und brachte kein Wort heraus.
Schließlich verdrehte sie die Augen und zuckte mit den Schultern. »Schon gut. Ich bin ja jetzt hier. Genau wie der da.« Sie zeigte mit dem Finger auf Mason. »Wenigstens haben wir beide keine zweite Version von uns, die im Gefängnis sitzt.«
Trauer und Panik ergriffen mich. Ich wusste, dass alle anderen schweigend auf mich warteten. Courtney war die Einzige, die nicht wusste, woran sie gestorben war, während der Rest von uns exakt Bescheid wusste. Und wie viel hatte Emily ihr verraten? Was dachte sie sich eigentlich? »Ja, du bist jetzt hier.« Das war alles, was ich sagen konnte.
Dann wurde mir wieder bewusst, dass wir uns beeilen mussten. »Emily, können wir das schaffen? Können wir so weit springen? Ohne uns umzubringen?«
Sie nickte mit ihrem kleinen Kopf. Ihr roter Zopf schwang hin und her. Kendrick oder Stewart mussten ihr beim Frisieren geholfen haben. Mich überkam Sehnsucht; ich wünschte mir meine Teamkameraden herbei, damit sie mir halfen, das hier durchzustehen. »Courtney kann es, sie kann
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