Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
konntest oder so was?« Ich kratzte mich am Kopf, während wir zusammen zum Speisesaal gingen, aus dem bereits der Duft von Tomatensauce und frischgebackenem Brot in den Flur drang.
»Denk doch mal nach, Jackson. Alle sind ohne Blessuren hier rausgegangen, dabei war ich anfangs ja nicht die Einzige, die Probleme hatte.«
Mir fielen die Schmerzensschreie wieder ein, die ich von einigen anderen Agenten gehört hatte. Jetzt untersuchte ich meine eigenen Arme. »Diese Dinger haben uns gar nicht wirklich verbrannt?«
Sie führte einen Finger an die Lippen, nickte aber. »Diese Fesseln haben nichts anderes getan, als ein Signal an unser Hirn zu senden, damit wir denken, wir würden verbrannt oder bekämen einen Elektroschock. Deshalb haben sie uns ja auch unseren Puls so direkt vor Augen geführt; damit wir die entsprechenden Folgen vorwegnehmen.«
»Der Geist triumphiert über die Materie«, sagte ich kopfschüttelnd.
»Sicher werden von den anderen auch bald einige darauf kommen. Wenn sie es nicht längst getan haben.«
Ein paar Minuten später saßen wir vor unseren Nudeltellern. Da wir als Letzte kamen, blieb uns nichts anderes übrig, als uns einen Tisch mit Stewart und Mason zu teilen. »Hallo«, sagte Mason mit vollem Mund. »Wir haben bald zwei Tage frei. Habt ihr schon irgendwas geplant?«
Ich hatte schon fast vergessen, dass wir alle drei Monate achtundvierzig Stunden lang gehen durften, wohin wir wollten – sofern keine größere universelle Bedrohung unsere Anwesenheit erforderlich machte.
»Hab noch gar nicht drüber nachgedacht«, antwortete Kendrick. »Aber ich bin ziemlich sicher, dass Crêpes im Spiel sein werden.«
»Und was ist mir dir, Jackson?«, fragte Mason.
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Wahrscheinlich bleibe ich einfach hier und bereite mich auf die kommenden Prüfungen vor.«
»Und ich war mir ganz sicher, dass du dich zu einer wilden Party aufmachen würdest«, sagte Stewart und schaute dann zu Kendrick. »Einmal kam ich in die Wohnung von Agent Meyer senior, um meinen routinemäßigen Kontrollgang zu machen, während er auf Reisen war. Und wer lag komatös im Flur und hatte es nicht mal mehr bis in sein Bett geschafft? Unser Junior hier. Und die Tochter des Gouverneurs hab ich bewusstlos auf dem Sofa gefunden, total besoffen. Könnt ihr euch vorstellen, welchen Skandal es gegeben hätte, wenn das an die Öffentlichkeit gedrungen wäre? Ich musste den Junior unter die Dusche schleifen, weil er gestunken hat, als hätte jemand ein Fass Bier über ihm ausgeleert.«
Sommer 2008. Ich erinnerte mich noch gut daran. Na ja, nicht unbedingt daran, wie ich komatös im Flur gelegen hatte. Aber das war auch eine außergewöhnlich wilde Nacht gewesen, und sie sprach darüber, als hätte es so etwas jeden Tag gegeben, was absolut nicht der Fall war.
Mason lachte leise in sich hinein. Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar und musste mich sehr zusammennehmen, um nichts zu sagen.
»Wie nett von dir, dass du dem armen Jungen eine kalte Dusche verpasst hast, Jenni «, gab Kendrick zurück.
Allmählich bekam ich den Eindruck, dass Kendrick Stewart noch weniger ertrug als ich. Vielleicht weil sie im Augenblick die einzige andere Frau in der Abteilung war und Kendrick ursprünglich gehofft hatte, dass sie und Stewart sich gegen die Männer verbünden könnten. Aber nicht mit Stewart. Nicht mal im Traum.
Stewart grinste. »Das war auch gar nicht so leicht. Ganz davon zu schweigen, dass ich dabei mehr nackte Haut von Junior zu Gesicht bekam, als mir lieb war. Sogar den ganz kleinen Agent Meyer, wenn ihr wisst, was ich meine.«
Ich stöhnte und erhob mich vom Tisch. »Bis später, Leute.«
Ich hörte Schritte hinter mir; jemand folgte mir aus dem Speisesaal.
»Wir haben dreißig Sekunden, bevor die Tür zugeht«, sagte Dad leise.
Mein Puls beschleunigte sich. Eine Woche zuvor hatten wir das zum ersten Mal gemacht und seither jeden Tag, aber noch immer machte es mir Angst.
3
8. Juni 2009, 12:59 Uhr
Ich schaffte es, komplett unbemerkt durch den geheimen Ausgang zu gelangen. Dad wartete in dem Tunnel auf der anderen Seite auf mich. Es war vollkommen dunkel.
»Hast du eine Taschenlampe?«, fragte ich flüsternd.
Da leuchtete neben mir ein winziges Licht auf und erhellte den vor uns liegenden Schotterweg. Ich blies in meine Hände und rieb sie im Gehen aneinander. Hier draußen war es sehr kühl, nur um die zehn Grad.
»Was ist los? Geht Stewart dir wieder auf die Nerven?«, sagte
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