Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
wieder anschaute, sah ich nur noch den ängstlichen sommersprossigen Jungen, der sich hinter dem schlauen, extrem sturen Agenten versteckte.
Kaum hatten wir uns wieder in Bewegung gesetzt, schnaubte Mason laut: »Du hättest mich eh nie wirklich erschossen.«
»Das kann man nie wissen«, erwiderte ich grinsend.
Obwohl mir die Beine zu versagen drohten, stolperte ich zu Freeman hin und tippte ihm auf die Schulter. »Sie sind nicht zufällig meinem Dad oder Marshall begegnet?«
Er sah mich lange an und schüttelte dann den Kopf.
»Hat Dr. Melvin Ihnen erzählt, dass ein Timer an der Bombe angebracht war? Das ist doch alles total merkwürdig. Diese Nummer hier und auch das in Heidelberg. Thomas hatte in Deutschland gesagt, es ginge um irgendeine Veränderung oder einen Wechsel, und dann haben sie einfach aufgegeben. Warum dann das Ganze?«
»Genau darüber haben wir eben gesprochen«, schaltete Parker sich ein. »Es wirkt fast so, als wollten sie uns irgendwas mitteilen oder –«
»Uns testen«, fügte Kendrick hinzu. »Wir dachten schon, Marshall wollte uns auf die Probe stellen mit dieser ganzen Zeitbomben-Nummer.«
»Euch auf die Probe stellen? Interessante Theorie«, sagte eine dunkle Stimme hinter uns im Flur.
Wir blieben alle sechs abrupt stehen und drehten uns um. Uns standen zwanzig EOTs gegenüber, alle in einem Flur. Thomas befand sich vorn in der Mitte, die unwillkommene Antwort auf Kendricks Frage.
»Oh, verdammt«, murmelte Stewart hinter mir.
Freeman trat vor und übernahm die Rolle unseres Anführers. »Hallo, Thomas, du hast ja gleich eine ganze Armee mitgebracht.«
Thomas verschränkte die Arme vor der Brust und setzte ein Pokerface auf. »Nun, die Dinge haben sich in der letzten Zeit ja auch verändert.«
Sprach er von mir und davon, dass ich ein Paralleluniversum aufgemacht hatte oder was immer Eileen gemeint hatte, als sie sagte, es läge an mir, dass nun so viele von ihnen durch die Zeit reisen konnten?
»Findest du es moralisch richtig, das Leben all dieser unschuldigen Menschen aufs Spiel zu setzen?«, fragte Freeman. »Ist dir klar, was für außergewöhnliche Männer und Frauen hier heute Abend versammelt sind? Einige von ihnen werden sicherlich auch die Zukunft positiv beeinflussen.«
Freeman ging exakt so vor, wie das Verhandlungsprotokoll es vorschrieb. Erst reden, dann angreifen, falls erforderlich. Aber zwanzig von denen gegen sechs von uns – da standen unsere Chancen nicht allzu günstig.
»Wo sind eigentlich die anderen alle?«, murmelte ich leise in Parkers Richtung.
Er zeigte mit dem Finger zur Decke. »Oben sind noch mehr EOTs.«
Noch mehr?!
»Wir glauben ehrlich gesagt, dass in eurer Organisation viel zu viel Talent steckt, als dass man es vergeuden sollte«, sagte Thomas. »Aber wir mussten uns selbst ein Bild machen, das Terrain ein wenig sondieren.«
Ich spürte die Spannung, die sich langsam aufstaute. Wir alle waren kurz davor, unsere Waffen zu ziehen, und warteten nur noch auf den Befehl zum Angriff.
Da griff Thomas in seine Jacke und zog eine durchsichtige Röhre heraus, in der eine blaue Flüssigkeit schwappte. »Das hier wolltet ihr euch holen, hab ich recht?«
Freeman griff nach seiner Pistole, und wir taten es ihm nach.
Doch Thomas und seine Kumpane verzogen keine Miene, als wir ihnen mit vorgehaltenen Waffen gegenüberstanden. »Ich nehme an, dass ihr alle sehr neugierig seid, um was es sich bei dieser Substanz handelt«, fuhr er mit einer unheimlichen Ruhe fort. »Diese blaue Flüssigkeit verwandelt sich in ein Gas, sobald sie freigesetzt wird. Und dieses Gas lähmt alle im Umkreis von dreißig Metern für die Dauer von einer Stunde. Die Substanz wird im Jahr 2200 entdeckt und ist ab 2210 allgemein in Gebrauch. Das heißt, die Polizei braucht dann keine Pistolen oder sonstigen gefährlichen Waffen mehr. Das ist die Art von Welt, die wir für euch alle zu schaffen versuchen. Ein friedlicher Ort, an dem man ohne Angst lebt.«
Mir fiel die perfekte Zukunft wieder ein, die Thomas mir gezeigt hatte. Wie es aussah, war das Ziel bereits erreicht. Aber dass er Holly »geopfert« hatte, machte es mir unmöglich, ihm jemals zu vertrauen. Ich hörte das Scharren von Füßen hinter mir. Alle wurden nervös und warteten darauf, was als Nächstes passieren würde. Die vorhergehenden Begegnungen waren sehr viel unpersönlicher gewesen.
»Wir müssen uns an das halten, was man uns beigebracht hat«, sagte Freeman. »Ich bin sicher, dass du dafür Verständnis
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