Feinde der Zeit: Roman (German Edition)
das hinauslief. Und ich musste einen Weg finden, dieses Bild wieder aus meinem Kopf zu löschen.
Eileen lachte, und dann küsste Dad sie; er vergrub sein Gesicht an ihrem Hals und murmelte etwas, was ich nicht verstehen konnte. Ich widerstand dem Bedürfnis, mir die Augen zuzuhalten, als er an den Knöpfen ihrer Bluse nestelte. Ungeachtet der Umstände war es schwer, es nicht gruslig und auch ein bisschen abstoßend zu finden, wenn man seinen »Eltern« dabei zusah, wie sie übereinander herfielen.
Ich riskierte es, noch ein bisschen weiter aus meinem Versteck herauszukommen, um noch einmal einen besseren Blick auf Dads Gesicht zu erhaschen, bevor ich sprang. Es war eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich ihn gesehen hatte. Dabei war das erst letzte Woche in Frankreich gewesen. Er hob eine Sekunde lang den Kopf und schaute sie an; ihre Gesichter schimmerten im Licht des Feuers. Und ich wusste, dass ich richtiglag.
Sie war wirklich Dads Holly. Und es war schön, das von nahem zu sehen, irgendwie gruslig, aber auch schön.
Ich schloss die Augen und spürte, wie mein Körper wieder zusammengezogen wurde und sich mit dem Teil verband, der noch im Jahr 1992 war.
»Jackson?«, hörte ich Eileen hinter mir rufen.
Ich schüttelte den Kopf und spürte plötzlich wieder die ganze Erschöpfung und den Schmerz. »Äh, ja? Ich bin hier.«
Als ich mich zu ihr umdrehte, hatte sie die Arme vor der Brust verschränkt und die Augenbrauen hochgezogen. »Hast du gerade irgendwas gemacht? Einen Halbsprung. Hab ich recht?«
»Nein«, log ich.
Sie verdrehte die Augen. »Ich merke es genau, wenn du etwas vor mir verbirgst. Willst du mir nicht sagen, was so wichtig war, dass du es gerade unbedingt sehen musstest?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Nichts Wichtiges … dich und ihn. Nur ein paar Minuten. Ich bin wieder gegangen, bevor der nicht jugendfreie Teil anfing.«
Ihr Gesicht bekam eine zarte Röte, aber sie wandte den Blick nicht ab. »Geht es ihm gut? In der Zukunft, meine ich?«
Da kam mir plötzlich eine ganz neue Idee. Eine brillante Idee. Ich richtete mich kerzengerade auf und sagte lauter, als ich eigentlich wollte: »Ich kann dich doch mitnehmen! Warum zum Teufel ist mir das nicht schon vor Stunden eingefallen?«
Ihre Augen weiteten sich, und sie schüttelte den Kopf. »Nein, Jackson, das können wir nicht machen. Das ist zu gefährlich.«
Aber du stirbst doch sowieso , wollte ich sagen, tat es aber natürlich nicht. »Aber du hast doch gesagt, mein Verstand würde dafür Sorge tragen, dass ich niemanden dabei verletze, dass ich es kontrollieren kann.«
»Das hier ist aber keine besondere Notlage«, erwiderte sie. »Und denk nur mal darüber nach, was passieren würde. Ich verschwinde von hier und tauche in der Zukunft wieder auf. Das wird deine Erinnerungen und dein Leben verändern, und wir wissen nicht, welche Auswirkungen das hätte.«
Ich griff nach ihrer Hand, doch sie verbarg sie hinter ihrem Rücken. »Er braucht dich. Ich weiß, dass er dich braucht.«
»Denk doch mal nach, was du da sagst, Jackson.« Ihr Ton hatte sich verändert, so als versuchte sie, einen Selbstmörder dazu zu überreden, von der Dachkante zurückzutreten.
»Aber du liebst ihn doch, und er hat niemanden«, sagte ich und ging auf sie zu.
Ich wollte es so sehr. Für Dad, für mich. Das war etwas, das ich reparieren konnte. Außerdem wusste sie Dinge, die Dr. Melvin, Dad und Marshall nicht wussten. Ich packte ihre Hand und hielt sie fest.
Zum ersten Mal, seitdem sie meine Pistole auf den Tisch gelegt hatte, sah Eileen wieder ängstlich aus. Sie hatte große Angst, und zwar vor mir. »Bitte tu das nicht, Jackson.«
Wir starrten uns einige Sekunden an, während ich fieberhaft nachdachte. War das nicht ein Vorteil meiner Superkraft? Warum sollte ich nicht auch etwas von der ganzen Sache haben?
»Es soll nicht sein. Vertrau mir«, sagte Eileen nun leiser und weniger ängstlich.
Und aus irgendeinem Grund vertraute ich ihr. Aber es war superunbefriedigend. Mir sank das Herz, als mir klar wurde, dass aus meinem brillanten Plan nichts werden würde. Ich ließ ihre Hand los und seufzte frustriert. »Na schön, wie du willst.«
»Es ist nicht so, dass ich nicht mit Kevin zusammen sein möchte, Jackson.« Sie legte ihre Hand erneut auf mein Gesicht. »Ich liebe ihn mehr, als du dir vorstellen kannst. Ich hoffe, dass du mir das glaubst. Aber das Einzige, was man tun kann, ist, den zu lieben, den man lieben möchte, während man bei ihm ist.
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