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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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was mit Meer zu tun hat, wie so viele Leute aus dem
Binnenland. Der alte Harve hatte es sich in den Kopf gesetzt, in den Westen zu
gehen und eine Schiffahrtslinie zu betreiben. Er kaufte die GGL achtundsiebzig
und brachte sie einigermaßen wieder hoch. Nicht die dramatische Wende, die ich
mir gewünscht hätte, aber immerhin.«
    »Und wieso ging es dann wieder
abwärts?«
    »Der alte Harve starb. Und seine Erben
hatten es sich ebenfalls in den Kopf gesetzt, in den Westen zu gehen und eine
Schiffahrtslinie zu betreiben. Das Problem ist nur, daß sie eine Horde Idioten
sind. Sie brauchten ein Jahr, um alles zu vermurksen, und ein weiteres, bis die
Gesellschaft wieder vor dem Bankrott stand.«
    »Und da haben sie dich gerufen.«
    Suits fing an zu lachen. Ich zuckte
zusammen. Noch etwas, was ich vergessen hatte: sein Lachen — schrill und
explosionsartig, irgendwo zwischen Wiehern und Gackern.
    »Was ist denn daran so komisch?« fragte
ich.
    »Sie haben mich gerufen, weil der
Oberidiot, Kirk Cameron, immer bei mir Dope, Semesterarbeiten und Acid gekauft
hat, als er noch an der Ohio State war. Du siehst, ich profitiere heute noch
von diesen alten Connections, Sherry-O, und —«
    Jetzt war es nicht mehr nur sein
Lachen, das an meinen Nerven zerrte. »Halt die Luft an!«
    Suits runzelte die Stirn.
    »Ich wünsche, daß du aufhörst, mich mit
diesem albernen Namen anzureden. Ich heiße Sharon. Los, sprich mir nach — Sharon.«
    »...Ich wußte nicht, daß dich das
stört. Ich mag es, wenn du mich Suits nennst. Erinnert mich an alte Zeiten.«
    »Dann werde ich dich weiter so nennen.
Aber verkneif dir dein Sherry-O.«
    Er sah mich achselzuckend an, sichtlich
ebenso verblüfft wie Mick heute morgen, als ich ihm verboten hatte, mich Tante
Sharon zu nennen. »Na gut. Wo war ich? Ach, ja — ich profitiere immer noch von
den alten Connections, und du kannst es auch tun. Nenne mir deinen Preis, und
ich werde nicht daran rütteln.«
    Der Traum eines jeden Privatdetektivs,
und genau zum richtigen Zeitpunkt. Aber dennoch sagte ich: »Ich muß erst alles
wissen, bevor —«
    »Schau runter! Da ist es!«
    Ich schaute. Wir schwebten über dem
stillgelegten Marine-Werftgelände von Hunters Point. Über zweihundert Hektar
halbverfallene Gebäude, löchriger Asphalt, rostige Kräne und verunkrautetes,
schuttübersätes Gelände erstreckten sich unter uns. Der Stützpunkt war 1974
aufgegeben worden. Die Bundesregierung hatte jahrelang versucht, die Anlage der
Stadt anzudrehen, war aber nur drei Hektar losgeworden, die sich zur Umwandlung
in eine Geschäftszone für den angrenzenden Wohnbezirk Bayview-Hunters Point
eigneten. Der Rest stand leer und war in desolatem Zustand: die Kanalisation
verrottet, die Anlagen veraltet, der Boden großenteils so giftstoffverseucht,
daß eine Sanierung unmöglich schien.
    »Na, was siehst du?« fragte mich Suits.
    »Eine Geisterstadt.«
    »Das ist das, was du siehst. Ich sehe einen hochmodernen Container-Umschlaghafen. Ich sehe Kaianlagen und LKW-
und Bahn-Terminals und eine Reparaturwerft. Ich sehe Arbeitsplätze und
Aufschwung und die Renaissance des Hafens von San Francisco. Und das ist
Visionsgabe.«
    »Heißt das, du willst—«
    »Ich werde. Ich werde die Navy
von dieser Altlast befreien und den ganzen Hafen wieder auf Vordermann bringen.
Ich werde die Golden Gate Lines wieder dahin zurückholen, wo sie hingehören — in
ihr eigenes Mega-Terminal, da unten.«
    »...Aber das Gelände ist verseucht.«
    »Ich zapfe für die Sanierung den Fonds
der Umweltschutzbehörde an.«
    »Die Anlagen sind veraltet.«
    »Ich werde sie modernisieren. Ich habe
schon alles mit meinen Finanzfritzen geklärt.«
    »San Francisco hat nur begrenzten
Bahnanschluß. Du kannst doch nicht —«
    »Ich kann.«
    »Du spinnst.«
    »Ich habe die Kaufvereinbarung gestern
unter Dach und Fach gebracht. Josh, setz den Vogel runter.«
    »Okay, Boß.«
    »Suits, warum landen wir? Wir können
doch von hier aus alles sehen —«
    »Nein, können wir nicht. Ich will, daß
du es erlebst. Dann verstehst du auch das mit dem Tunnel.«
    »Tunnel«, sagte ich matt.
    »Genau.«
    »Was —«
    »Frag nicht soviel. Laß es einfach
kommen.«
    Josh brachte den Hubschrauber runter.
Als wir hart aufsetzten, dachte ich an die perfekte Dreipunkt-Landung, die ich
einmal — eher zufällig — mit der Citabria hingelegt hatte. Und ich versuchte,
nicht höhnisch zu grinsen.
     
     
     
     
     

4
    Ich war schon in anderen Geisterstädten
gewesen — Orten

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