Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
zog die
Mietwagenschlüssel aus der Tasche und warf sie ihm hin. »Ich will, daß du
diesen Geo zurückbringst, der vor dem Flughafengebäude steht. Und bau mir ja
keinen Unfall; ich darf ihn eigentlich nur selbst fahren. Und danach sieh zu,
daß du deinen Arsch wieder hierher zurückbewegst und deine Sachen packst.«
    »Shar—«
    »Mick, du bist überaus helle und
talentiert, aber du zeigst unglaublich wenig Sinn für Realitäten. Ich kann es
mir nicht länger leisten, dich hierzubehalten. Ich verkrafte nicht noch so
einen Vorfall wie den mit Enid Blessing.«
    »Woher weißt du —«
    »Von ihr. Du gefährdest nicht nur dich
selbst, sondern auch die Agentur. Wenn sie nun Anzeige erstattet hätte? Ist dir
das gar nicht in den Sinn gekommen?«
    Er biß sich auf die Lippe, sah zu
Boden. Murmelte etwas vor sich hin.
    »Was?«
    »Ich sagte, ich wollte dir nur helfen.«
    »Ich weiß. Aber ich wollte deine Hilfe
hier, im Büro, am Telefon, am Computer.« Ich erwog hinzuzufügen, daß ich es gar
nicht schätzte, wenn die Firmenkasse für Dinge wie Wisdom-Mitgliedschaften
strapaziert wurde, aber ich befand, daß es genügte.
    »Tut mir leid«, sagte er.
    Es klang so geknickt, daß ich beinahe
weich wurde. Beinahe. »Entschuldigung angenommen«, sagte ich. »Und jetzt habe
ich einen Termin drunten auf der Halbinsel. Zieh dich an und bring den Geo
zurück.«
    Er nickte und zockelte in Richtung
Gästezimmer, blieb dann stehen und drehte sich um. »Shar?«
    »Ja?«
    Er hob an, etwas zu sagen, schüttelte
dann aber den Kopf.
    »Was, Mick?«
    »Ach, nichts. Ich wollte nur sagen —
ich war heute nachmittag mit dem MG zum Ölwechsel, und der Tank ist auch voll.«
     
     
     
     
     

19
    Die Kommune Woodside — Domizil
begüterter Pferdeliebhaber — hat es geschafft, sich trotz der Urbanisierung der
meisten Ortschaften auf der Halbinsel ihren ländlichen Charme zu erhalten. Dazu
trägt bei, daß die Grundstückspreise exklusiv hoch sind, viele der tierischen
und menschlichen Bewohner beeindruckende Stammbäume vorzuweisen haben und weite
Teile der Gemeinde einfach zu weit vom Schuß liegen. Bergsträßchen winden sich
dicht bewaldete Hügel hinauf, und von ihnen zweigen wiederum kleinere Wege in
das schattige Dunkel der Redwood- und Eukalyptusbäume ab. Die Häuser stehen oft
etliche Morgen auseinander und decken das ganze Spektrum von ostentativer
Zurschaustellung finanzieller Potenz bis zu künstlerischem Selbstausdruck ab.
Nate Evans Haus fiel irgendwo dazwischen.
    Dreistöckig, aus grauem Holz und Glas,
thronte es hoch über der schmalen Asphaltstraße; aus hohen Bogenfenstern fiel
Licht auf das Geäst der umstehenden Eichen. Eine lange Holztreppe zog sich von
der Straße den Hang hinauf bis zur Haustür. Evans hatte mich schon vorgewarnt,
daß es keine Auffahrt gab; die Garage lag unten an der Straße, in den Hang
hineingetrieben. Ich solle darauf achten, nicht in der Kurve zu parken, hatte
er gesagt, da minderjährige Autofahrer die Straße gern als Rennstrecke
benutzten. Ich stellte den MG ein ganzes Stück vorher in der Nähe des
Briefkastens eines Hauses auf der Hangseite ab, ging zu Fuß hinauf und erklomm
die Treppe.
    Nachdem ich die Eingangstür erreicht
und geklingelt hatte, drehte ich mich um, um die Aussicht auf mich wirken zu
lassen: dunkle Hügel erstreckten sich in sanften Wellen gen Westen, wo
Küstennebel die Kuppen verhüllte. Die Luft war kühl und mit dem schweren Duft
von Redwood-Bäumen befrachtet; nichts rührte sich, kein Laut durchbrach die
Stille. Kein guter Ort, dachte ich, wenn man die Einsamkeit nicht gewohnt ist.
    Hinter mir ging die Tür auf. Die Frau,
die den Kopf herausstreckte, war jung und blond und trug eine Lederjacke und
Jeans. Sie sagte: »Er ist im Wohnzimmer, gehen Sie einfach rein«, und
eilte, mit Autoschlüsseln klimpernd und eine exotische Parfümwolke hinter sich
herziehend, an mir vorbei.
    Ich trat in eine geflieste Diele und
schloß die Tür hinter mir. Das Wohnzimmer — ein Meer von weißem Teppichboden,
redwoodgetäfelte Wände und mit Urwald-Dekor bezogene Sitzmöbel — lag zwei
Treppenstufen tiefer. Ein Mann erhob sich von einem aus Sitzelementen
zusammengefügten Ecksofa vor einem gemauerten Kamin und kam auf mich zu.
    Er sagte: »Wenn Sie den Fehler nicht
schon gemacht haben, schaffen Sie sich bloß nie Kinder an.«
    »Bitte?«
    »Teenager sind eine Landplage. Meine
Tochter hat mich in einem schwachen Moment überrumpelt und mir die Schlüssel
für meinen Porsche

Weitere Kostenlose Bücher