Feinde kann man sich nicht aussuchen
anders.«
»Inwiefern?«
»Wir verändern uns nun mal.«
»Hat Annas Tod Sie verändert?«
Er drehte überrascht den Kopf. Dann
verfinsterte sich sein Gesicht, und er wandte sich wieder ab. »Ich will nicht
über Anna reden.«
»Josh —«
»Nein. Sie gehen jetzt besser.«
Sein Rücken war steif und abwehrend;
heute würde ich aus ihm nichts mehr herauskriegen. »Na gut, dann reden wir ein
andermal weiter. Aber kann ich, ehe ich gehe, noch ein paar Anrufe erledigen?«
»T. J. hat sicher nichts dagegen.«
Aus Gründen der Diskretion benutzte ich
einen Nebenapparat, den ich in der Küche gesehen hatte, um zu Hause anzurufen.
Mick nahm ab. Ich fragte ihn, ob bei seinem Trip nach Mendocino County
irgendwas herausgekommen sei, und er sagte, er habe einen Mann ausfindig
gemacht, der Suits am frühen Freitag morgen trampend am Küstenhighway nach
Süden habe stehen sehen. Dann wollte er mir von Sid Blessings Militärakte
erzählen, aber ich schnitt ihm das Wort ab und trug ihm auf, eine Liste mit
Telefonnummern zu suchen, die Suits mir im August gegeben hatte, und sie mir
vorzulesen. Sie enthielt nur eine einzige Privatnummer, die von Nate Evans, dem
Architekten, der ihn mit dem Hunters Point-Projekt hatte sitzen lassen. Ich
notierte sie mir.
Mick sagte: »Ich finde, du solltest dir
diese Blessing-Geschichte anhören.«
»Das besprechen wir, wenn ich daheim
bin.«
»Aber Shar, ich war —«
»Ich kann jetzt nicht darüber reden.«
Ich legte auf, ehe ich noch wertvolle
Zeit damit verschwendete, ihm eine Standpauke zu halten, weil er Enid Blessing
belästigt hatte.
Nate Evans hatte zuerst gar keine Lust,
mir seine Sonntagsruhe zu opfern. Ich erklärte ihm, mein Anliegen sei sehr
dringend und ich würde ihn gern so bald wie möglich treffen. Er zögerte kurz,
besprach sich mit irgend jemandem im Hintergrund und erklärte sich dann bereit,
mich am Abend um halb neun zu empfangen. Er beschrieb mir, wie ich zu seinem
Haus in Woodside, drunten auf der Halbinsel, gelangte.
Dann rief ich Chuck Westerkamp in Lost
Hope an. Die Leiche aus der Flußsenke, so erklärte er mir, sei anhand der
zahnärztlichen Unterlagen eindeutig als die von Ed Bodine identifiziert worden.
Brenda Walker und Deck seien immer noch nicht gefaßt.
Ich sagte: »Wissen Sie, ich habe noch
mal über das Problem mit den Gesprächsnachweisen für Brenda Walkers Telefon
nachgedacht.«
»Ach?«
»Als ich an dem Mittwoch abend, bevor
sie zu Leon rausfuhr, ihr Haus beobachtet habe, benutzte sie ein schnurloses
Telefon, das ziemlich ähnlich aussah wie das, das ich habe. Meins hat eine Wiederholungstaste;
der Apparat speichert die Nummer des letzten Anrufs, und wenn man die Taste
drückt, wählt er sie automatisch wieder.«
»Und?«
»Es wäre doch interessant zu wissen,
mit wem sie zuletzt gesprochen hat, bevor sie und Leon sich davongemacht haben.«
»Na ja...« Westerkamp zögerte. »In
Kleinstädten wie dieser ist es üblich, einen Zweitschlüssel bei Nachbarn zu
hinterlegen. Ich weiß zufällig, daß Brenda ziemlich gut mit unserer
Posthalterin befreundet ist, die gleich über die Straße wohnt. Vielleicht sollte
ich mal mit ihr reden. Sind Sie nachher daheim?«
»Bis halb acht etwa.«
»Ich rufe Sie an, wenn sich irgend
etwas Interessantes ergibt.«
Als ich in mein Wohnzimmer kam, saß
meine gescheckte Katze Alice auf der Lehne des Sessels neben W. C. Fields’ Sitzschaukel
und angelte mit der linken Vordertatze nach dem Schwanz des Seidenpapageis.
»Nicht du auch noch!« brüllte ich.
Allie sprang vom Sessel, rannte halb
durchs Zimmer, drehte sich dann um und miaute indigniert.
»Du gehst mir nicht an diesen Vogel!«
Sie miaute wieder und galoppierte zur
Freßschüssel.
»Und keine Widerrede!«
Dann ließ ich meine
Wochenend-Reisetasche auf den Fußboden plumpsen, beschämt, weil ich meinen
Ärger über Mick an der Katze ausließ.
Der eigentliche Gegenstand meines Zorns
wählte just diesen Moment, um aus dem Badezimmer aufzutauchen, die Haare naß
und glatt zurückgekämmt, das Gesicht frisch geschrubbt und rosig. Er sah meine
finstere Miene und blieb stehen.
»Endlich sehen wir uns wieder«, sagte
ich.
Mick durchquerte die Küche und kam ins
Wohnzimmer, die Arme defensiv vor der Brust verschränkt.
Ich fragte: »Wo zum Teufel warst du
gestern abend, nachdem du Enid Blessings kleine Tochter aufgeweckt hast und
dich um ein Haar hättest erschießen lassen?«
»...Das Gewehr war geladen?«
»Allerdings war es das.« Ich
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