Feinde kann man sich nicht aussuchen
Fall werden Sie’s
tun. Ich bin die einzige, die Gordon davon abhalten kann, mit der Pistole, die
Sie ihm verkauft haben, jemanden zu töten.«
Tso wirkte gelangweilt, »Ich nehme an«,
sagte er, »wenn ich mit Schußwaffen handeln würde — was ich hiermit
keinesfalls andeuten möchte —, würde ein beträchtlicher Teil davon dazu benutzt
werden, Leute zu töten. Dafür sind sie da. Und die Herkunft illegal erworbener
Waffen läßt sich nur selten nach weisen.«
»Mr. Tso, ich arbeite für keine der
Polizeibehörden, die es auf Sie abgesehen haben, falls es das ist, was Sie
befürchten. Ich will nichts weiter, als einen Mord verhüten.«
Er zuckte die Achseln und sah auf seine
Uhr.
»Andererseits«, fuhr ich fort, »muß ich
Ihnen sagen: Wenn ein solcher Mord passiert, wird das Wellen schlagen. T. J.
Gordon ist ein sehr prominenter Mann. Das könnte Probleme für Sie geben.«
Seine Augenlider zuckten — nur für
einen Sekundenbruchteil.
»Wie gesagt: Mr. Gordon ist mein
Klient. Und als lizenzierte Privatdetektivin muß ich im Fall eines Verbrechens
mit den Polizeibehörden zusammenarbeiten. Dann bleibt mir keine andere Wahl,
als ihnen zu erzählen, was ich über Gordon weiß. Und zwar alles.«
»Erzählen Sie ihnen, was Sie wollen.
Sie haben keinen Beweis dafür, daß ich ihm irgend etwas verkauft habe.«
Die vier Minuten waren jetzt um, aber
Tso hatte nicht mehr auf die Uhr gesehen. Ich sagte: »Nein, ich habe
keinen Beweis. Aber da ist natürlich immer noch Gordon. Er ist zwar momentan
auf einem selbstzerstörerischen Trip, aber wenn er seine Rache genommen hat,
wird er blitzschnell wieder zu sich kommen und sich überlegen, wie er seinen
Hals retten kann. Und die verschiedenen Behörden, die hinter Howie Tso her
sind, werden sich gern auf einen Deal einlassen, wenn sie dafür etwas Hieb- und
Stichfestes gegen Sie in die Hand kriegen.«
Tso schwieg, schien zu kalkulieren.
»Sehen Sie, was für Scherereien das
geben könnte, Mr. Tso? Selbst wenn es nicht zum Prozeß kommt — denken Sie nur
mal an das öffentliche Aufsehen, die Störung Ihres Geschäftsbetriebs. Aber es
muß nicht so weit kommen. Sagen Sie mir einfach, was ich wissen möchte, und ich
kann es verhindern.«
Er kehrte um und steuerte gebeugten
Hauptes und gemessenen Schritts zurück zum Miranda’s. Ich paßte mich wieder
seinem Tempo an und wartete.
Schließlich sagte er: »In diesem
besonderen Fall, Miss McCone, will ich ausnahmsweise das Geschäftsgeheimnis
hintanstellen.«
»Eine weise Entscheidung.«
Tsos Stimme war jetzt heiser vor
simmerndem Zorn. »Mr. Gordon hat eine halbautomatische AR-Fünfzehn erworben.«
»Wann?«
»Heute morgen.«
Ein Sturmgewehr, zerstörerische
Geschoßwirkung kombiniert mit hoher Feuerkraft. Bei der Vorstellung, was Suits
damit anrichten konnte, schauderte mich. Ich riß mich zusammen und fragte: »Hat
er angedeutet, wo oder wann er sie zu benutzen gedenkt?«
»Nein. Er schien mir ein Mann, der
weiß, was er will, und nicht viele Worte macht.«
»Er hat also gar nichts Auffälliges
gesagt?«
Tso dachte nach. »Auffällig würde ich
es nicht gerade nennen, aber er sagte, er wolle auf Vogeljagd gehen. Dann hat
er gelacht. Er hat eine sehr eigentümliche Art zu lachen.«
»Und das war alles?«
»Ja.«
»Vielen Dank, Mr. Tso.« Ich deutete auf
meine Uhr und sagte: »Ich fürchte, Sie kommen zu spät zu Ihrer Vernissage.«
Seine Kiefer preßten sich aufeinander,
und seine Augen wurden schmal. Er wandte sich abrupt um und marschierte davon.
Nicht sehr klug, sich einen Mann wie
Tso zum Feind zu machen, aber ich bereute es nicht. Es gab Zeiten, da ich
vielleicht versucht hätte, mich mit dem Waffen-Dealer leidlich gutzustellen,
aber das war vorbei. Für solche Kompromisse war in meinem Leben kein Platz
mehr.
In der Gegend um den Aquatic Park
konnte ich Caps weißen Bus immer noch nicht finden. Ich versuchte es an dem
ruhigen Ende der Beach Street beim Schiffahrtsmuseum, umrundete den Ghirardelli
Square, weitete meinen Suchradius aus, fuhr noch einmal die Parkplätze am Fuß
der Van Ness Street ab. Dann checkte ich das Museum ein weiteres Mal, wobei ich
auf der linken Seite des Gebäudes eine Einfahrt entdeckte. Ich fuhr sie
hinunter in Richtung Wasser.
Der Bus stand in einer Parkbox auf der
Seeseite des Seniorenzentrums; durch die Heckscheibe schimmerte flackerndes
Licht. Ich stellte den MG am unteren Ende der Einfahrt ab und stieg aus.
Das Erdgeschoß des Gebäudes war dunkel,
obgleich
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