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Feinde kann man sich nicht aussuchen

Feinde kann man sich nicht aussuchen

Titel: Feinde kann man sich nicht aussuchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Josh mir gestern über seine Vorgehensweise erzählt hatte. War in Monora
noch etwas anderes passiert, was Suits nicht mitgekriegt hatte? Aber es stand
außer Frage, daß die Bodine-Sache der zweite Fehler gewesen war, von dem
Romanchek gesprochen hatte. Und ich war mir sicher, daß noch ein dritter Fehler
hinzugekommen war: Suits hatte Bodine getötet, als sich der ehemalige
Gewerkschaftsführer in Lost Hope an Anna hatte vergreifen wollen.
    Lost Hope — ein passender Name für
diesen Ort.
    Dennoch hatte dieses unzusammenhängende
Gespräch mit Romanchek mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Mir dämmerte
allmählich, daß wir beide von völlig verschiedenen Voraussetzungen ausgegangen
waren. Vielleicht gab es da etwas, was der Anwalt wußte und wovon er glaubte,
daß ich es ebenfalls wüßte. Etwas, was alles erklären konnte...
    Es war kurz vor sechs, als schließlich
eine Ärztin in den Warteflur herauskam. Ob ich eine Verwandte von Mr. Romanchek
sei?
    Eine Mitarbeiterin seiner Firma,
erklärte ich. Wie es ihm gehe?
    Sie bedaure sehr, mir mitteilen zu
müssen, daß Mr. Romanchek von uns gegangen sei.
    Ich stand auf, legte die Fingerspitzen
auf meine Lippen. Als gelte es, Worte zurückzuhalten. Das war absurd; hierfür
gab es keine Worte.
    Die Ärztin sagte irgend etwas von Angehörige
benachrichtigen. Ich riet ihr, sich mit Dottie Collier in L. A. in Verbindung
zu setzen, und gab ihr die Nummer. Dann wollte ich an ihr vorbei zum Ausgang
streben. Sie hielt mich am Arm zurück. »Er wäre sowieso innerhalb weniger
Stunden gestorben«, sagte sie. »Und es war ihm sehr wichtig, mit Ihnen zu
reden.«
    Ich begriff, daß sie mir eventuelle
Schuldgefühle nehmen wollte. Hatte ich welche? Ich wußte es ehrlich nicht. Ich
nickte und ging zum Aufzug. Wahrscheinlich hätte ich welche haben sollen. Unser
Gespräch war Romanchek so wichtig gewesen, und ich hatte ihn noch nicht mal
verstanden.
     
     
     
     
     

22
    Die Fenster vom Miranda’s schimmerten
gelb in der ringsum herrschenden Dunkelheit. Unter anderen Umständen hätte ich
diesen Anblick sehr einladend gefunden, aber ich blieb eine ganze Weile draußen
auf dem Bürgersteig stehen und versuchte mich für die Begegnung mit Howie Tso
zu stählen. Romancheks Tod hatte mich schwer mitgenommen. Ich war völlig
ausgelaugt; jetzt sollte ich hier mit einem Verbrecher reden, dessen spezielle
Branche ich abgrundtief verabscheute. Um an die Information zu kommen, die ich
brauchte, mußte ich Howie Tso mit aller Finesse angehen.
    Als ich gerade zur Eingangstür streben
wollte, kam ein Mann heraus : schlank und eher groß, in einem langen Ledermantel.
Dickes, dunkles Haar fiel ihm in die Stirn, und die Augen darunter waren
lebhaft und intelligent. Er musterte mich im Licht des Neonschilds und sagte:
»Miss McCone? Howie Tso.« Ehe ich antworten konnte, packte er mich am Oberarm
und zog mich nach rechts ins Dunkel. »Gehen wir ein Stück. Sie haben genau vier
Minuten.«
    Ich schüttelte seine Hand ab und trat
ein paar Schritt zur Seite. Legte die Hand auf die 38er in der Klappe meiner
Umhängetasche.
    »Wieso vier Minuten?« fragte ich.
    »Weil meine Frau und ich bei einer
Vernissage erwartet werden und ich vorhabe, pünktlich zu sein.«
    »Warum sind Sie dann überhaupt
gekommen?«
    Tso marschierte los, in südlicher
Richtung das Hafenbecken entlang. Ich blieb neben ihm, hielt aber Abstand. »Aus
zwei Gründen«, sagte er, selbige an zwei schlanken Fingern abzählend. »Erstens:
Carmen war gut zu mir, als ich als Junge im Hafen auf Gelegenheitsjobs gelauert
habe. Er bittet mich nicht oft um einen Gefallen. Zweitens: Ich war neugierig
auf Sie.«
    Ich las Zeitung; ich wußte, wer Tso
war. Wahrscheinlich galt das umgekehrt ebenso.
    Er setzte hinzu: »Wir haben schon fast
eine Minute auf Nebensächlichkeiten vergeudet. Was wollen Sie?«
    »Carmen hat einen Mann zu Ihnen
geschickt, der eine Waffe kaufen wollte. T. J. Gordon.«
    »Keine Bestätigung und kein Dementi.«
    »Gordon ist ein Klient von mir. Sie
haben vielleicht schon von ihm gehört; seine Frau kam im Sommer bei einer
Explosion ums Leben. Er hat sich darauf versteift, sie zu rächen. Ich möchte
wissen, was für eine Waffe er gekauft hat und was er sonst noch gesagt hat.«
    Tso blieb unter einer der Neonlampen am
Hafenbecken stehen. Sie goß lange Schatten über sein Gesicht und ließ seine
kleinen Augen glitzern.
    »Carmen hat mir gesagt, Sie reden nie
über Ihre... Transaktionen«, fuhr ich fort, »aber in diesem

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