Feinde kann man sich nicht aussuchen
dem Herd anbringt, um den Dunstabzug zu
kaschieren. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und öffnete die Tür. Rechts
und links des Dunstabzugs waren schmale Zwischenräume, verkleidet mit
Holzpaneelen, die nicht ganz zum Holz des Schränkchens selbst paßten. Ich
reckte mich und stemmte eins davon los.
Gefunden!
Als ich den Recorder aus dem Schrank
geborgen hatte, stellte ich ihn auf die Arbeitsplatte, um die Zuleitungen zu
lösen. Es war ein Modell, das durch das Stimmgeräusch aktiviert wurde; die
eingelegte Kassette war mehr als dreiviertel voll und auf Langsam-Durchlauf
gestellt. Ich setzte rasch das Paneel wieder ein und schloß den Schrank.
Zwischen Kühlschrank und Wand hatte jemand ein paar Papiertragetüten gestopft;
ich steckte den Recorder in eine davon, knipste die Lichter aus und machte, daß
ich aus der Wohnung kam. Ich würde das Band in meinem Wagen abhören, ohne das
Risiko einer unerfreulichen Störung.
Ich fuhr den Embarcadero hinunter und
bog in die Brannan Street ein. Hielt vor einer der Kunstgalerien, von denen es
im SoMa-Viertel wimmelt. Sie hatte geschlossen; die Gehwege zu beiden Seiten
waren dunkel und menschenleer; eine Straßenlampe direkt über mir gab soviel Licht,
daß ich den Recorder bedienen konnte, ohne meine Taschenlampe oder die
Innenbeleuchtung anknipsen zu müssen.
Ich spulte die Kassette ein Stück
zurück und drückte auf die Play-Taste. Hörte meine eigene Stimme Nate Evans’
Wegbeschreibung wiederholen. Spulte weiter zurück, ganz an den Anfang. Suits
und Charles Loftus, sein Financier, diskutierten über Rendite-Aussichten. Ich
ließ mehrere Routine-Gespräche zwischen meinem Klienten und seinen Mitarbeitern
im Schnellvorlauf durchsausen, lauschte schon interessierter einem Telefonat,
bei dem er Dottie Collier erzählte, er habe sich mit mir getroffen und hoffe,
ich würde seinen Fall übernehmen. Dann kam eine ganze Weile nichts als kurze
Anrufbeantworter-Aufzeichnungen, darunter etliche Kondolenzbotschaften zu Annas
Tod.
Das einzige, das festzuhalten Suits
offenbar nicht für nötig befunden hatte, waren die Privatgespräche zwischen ihm
und seiner Frau.
Dann kam Josh: eine Pizzabestellung,
eine Mitteilung an Noah Romanchek, daß die Firmenmaschinen auf dem North Field
in Oakland überholt würden. Und dann endlich etwas wirklich Interessantes:
»Hey, Sid, ich habe vielleicht noch
mehr für dich zu tun.«
»Ach, echt? Was denn?«
»Besser, wir reden persönlich drüber.
Ich kann in ein paar Stunden bei dir draußen sein.«
»Komm doch in unser Haus.«
»Du weißt, daß das nicht geht. Es gibt
da bei euch so eine neue Siedlung, die noch im Bau ist, ganz auf der Ostseite —
Orchard View.«
»Kenn ich vom Sehen.«
»Wir treffen uns dort, am Ende der
Apple Lane, um Mitternacht. Und erzähl niemandem davon, auch nicht deiner
Frau.«
Niemand hatte Sid Blessing je besondere
Intelligenz nachgesagt. Danach hatte Josh nicht mehr viel telefoniert. Ich
hörte ihn einen Zahnarzttermin absagen, chinesisches Essen ordern. Und dann war
da plötzlich eine Frauenstimme auf dem Band, schrill und dringlich:
»Josh, du bist umgezogen! Ich mußte den
Hausmeister in deinem alten Haus anrufen, um zu erfahren, wo du jetzt zu
erreichen bist.«
»Was willst du, Brenda?«
»Da ist so eine Detektivin hier in Lost
Hope, Sharon McCone. Sie behauptet, sie arbeitet für deinen Boß. Sie weiß, daß
Anna eine Zeitlang hier bei ihm war. Sie war heute abend bei mir im Laden, um
mich über ihren Besuch hier auszufragen.«
»Was hast du ihr erzählt?«
»Nichts. Ich habe sie zum Sheriff-Büro
geschickt.«
»Nicht sehr geschickt. Das wird sie
erst recht mißtrauisch machen.«
»Aber ich wußte nicht, was ich sonst
tun sollte. Warum hast du mir nicht gesagt, daß er eine Privatdetektivin
angeheuert hat?«
»Ich habe nicht geahnt, daß sie nach
Nevada fahren würde.«
»Was ist das für eine Geschichte mit
diesen Terroraktionen gegen Gordon?«
»Ach, nur T. J.s Paranoia, die
endgültig durchgebrochen ist. Mach dir nichts draus.«
»Josh, aber wenn sie dahinterkommt —«
»Wie sollte sie?«
»Es gibt hier ein paar Leute, die wissen,
daß Leon mein Halbbruder ist. Wenn sie es herausfindet und zu ihm geht? Leon...
na ja, du weißt doch, wie er ist. Wenn er ihr nun sagt, daß er uns gesehen hat
—«
»Sie wird das mit Leon nicht
rauskriegen. Sie wird nicht dort rausfahren. Und selbst wenn, was könnte sie
schon finden?«
»Ihn... es. Es liegt immer noch dort
unter der
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